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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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ein Mädchen gegangen, und die Kerle hätten ihn vermutlich alle Knochen gebrochen, wenn Ray nicht dazwischengegangen wäre. Der Kampf hatte nur Sekunden gedauert, und es hatte ganz leicht, beinahe spielerisch ausgesehen, wie der schmächtig wirkende Blondschopf die Angreifer in die Flucht schlug. Erst später – Ray hatte Johnny zu einem Selbstverteidigungskurs mitgeschleppt – hatte er begriffen, wie viel hartes Training dahintersteckte. Von da an trafen sie sich häufiger, entweder zu Trainingsstunden auf dem Sport-Campus, wenn Ray sich durchsetzen konnte, oder zu Ausflügen in die Sphere. Was sie damals verbunden hatte, war schwer zu sagen. Bei ihm selbst war es wohl der Respekt vor Rays Zielstrebigkeit gewesen. Wenn er sich etwas vorgenommen hatte, war es fast unmöglich, ihn wieder davon abzubringen. Dafür war Johnny flexibler, und er kannte die Tricks, die man in der Sphere benötigte, um an vertrauliche Informationen zu kommen. Vielleicht ergänzten sie sich deshalb so gut.
    Bevor sich ihre Wege trennten – Johnny war von Beginn an klar gewesen, dass Ray entweder bei ALLSPACE oder beim Militär anheuern würde –, verabredeten sie, in Verbindung zu bleiben, und so geschah es dann auch. Johnny besorgte Ray Informationen, die über militärische Kanäle nicht zu beschaffen waren, und erfuhr im Gegenzug aus erster Hand Einzelheiten über das Geschehen an der Grenze und die Burgon-Krise. Natürlich gab er seine Quellen niemals preis, so wie auch Ray sämtliche Informationen vertraulich behandelte, und das würden sie zweifellos auch weiter so halten.
    Dennoch war diesmal einiges anders. Erstens hatte Ray durchblicken lassen, dass er keinen Freundschaftsdienst erwartete, sondern Johnnys Bemühungen honorieren würde – sogar das Wort »großzügig« war gefallen –, und zweitens riskierte er dieses Mal wohl mehr als einen Strafbefehl oder eine Zivilklage, die seine Anwälte locker abschmettern konnten. Johnny musste nicht einmal recherchieren, um die Brisanz des Auftrags zu erkennen. Allein der Name Leandros ließ bei ihm die Alarmglocken läuten, und die Verbindung nach Patonga machte die Risiken des Auftrags vollends unkalkulierbar. Der Touristenplanet war keineswegs der Ort, wie ihn die Allgemeinheit aus Hochglanzprospekten und zahllosen HOV -Spots zu kennen glaubte. Vor Jahren hatte Johnny in einer Vermisstensache recherchiert und wäre dabei beinahe enttarnt worden. Als James den Angriff bemerkt hatte, waren die Spybots der Gegenseite nur noch zwei Anonymisierungsebenen von Johnnys Sphere -Identität entfernt gewesen. Er hatte seine Aktivitäten sofort eingestellt und den Auftrag zurückgegeben, was ihm angesichts der Umstände nicht leicht gefallen war. Das wenige, das er während seiner Recherche herausgefunden hatte, gehörte jedoch zu jener Kategorie Wissen, die Johnny am meisten fürchtete. Patonga war ein gefährlicher Ort, und jeder Blick hinter die Kulissen des Inselparadieses konnte tödlich sein. John Varley war kein besonders mutiger Mann, auch deshalb hatte er damals die Dinge auf sich beruhen lassen.
    Aber mit Rays Nachricht hatten sich die Voraussetzungen geändert. Wenn er tatsächlich etwas herausfinden wollte, dann musste Johnny auch in Milieus recherchieren, von denen er sich üblicherweise fernhielt. Das Orakel war erwartungsgemäß skeptisch.
    »Gute Idee, du willst dich also gleichzeitig mit Leandros und den Triaden anlegen«, bemerkte James sarkastisch, nachdem ihm Johnny die Eckdaten des neuen Auftrags vorgestellt hatte. »Warum springst du nicht gleich von einer Brücke? Das wäre einfacher und würde andere nicht in Gefahr bringen.«
    »Du hast doch nicht etwa Angst um deine nicht vorhandenen Knochen?«, spöttelte Johnny. Natürlich wusste er, worauf das Orakel anspielte. Enttarnte Sphere -Agenten riskierten nicht nur das eigene Leben. Erst vor ein paar Monaten war auf Liberty Island ein Gebäude explodiert, in dem Gerüchten zufolge eine Agentur einen illegalen Suchdienst betrieben hatte. Fünfzehn Menschen waren dabei ums Leben gekommen, darunter auch Unbeteiligte.
    »Darüber muss ich erst nachdenken«, gab James zu. »In jedem Fall habe ich eine Abneigung gegen unlogische Handlungen.«
    »Ich weiß«, seufzte Johnny, »Aber wir müssen trotzdem herausfinden, was mit dieser Miriam passiert ist.«
    »Und warum müssen wir das?«, wollte das Orakel wissen.
    »Weil Raymond Farr mein Freund ist. Außerdem ist er wohl so etwas wie ein Held.«
    »Ich mag keine Helden«, nörgelte

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