Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
später«, fiel sie ihm fast ins Wort. »Sie bewegen sich also seltsam, und das ist alles?«
»Im Grunde ja … allerdings schienen sie mir auch ziemlich misstrauisch zu sein, so als trauten sie dem Frieden nicht.«
»Genau so ist es.« Die Frau lehnte sich zurück. »Sie sind anders als wir – aufmerksamer, reaktionsschneller, entschlossener.«
»Aber wie kann das sein?«
»Man hat ihnen genetisch verändertes Muskelgewebe eingepflanzt mit Blutgefäßen, Nerven und allem, was sonst dazugehört. Das Ausgangsgewebe war allerdings nicht menschlich.«
»Du meinst, die Muskeln von Tieren?«
»So genau habe ich das nicht verstanden, es ist wohl eher so ein Zwischending. Sie haben sich ein Tier mit besonderen Fähigkeiten herausgesucht – ich glaube, es war ein Gepard – und daraus Muskeln für Menschen entwickelt.«
»Deshalb nennst du sie Geparden.« Farr griff nach seinem Weinglas und trank es in einem Zug aus. Ein Teil von ihm wollte es immer noch nicht glauben, aber es passte zu gut, diese Bewegungen, lässig und doch irgendwie bedrohlich …
»Vielleicht sind wir zu lange weg gewesen«, sagte er dann, mehr zu sich selbst. »Aber wo ist dann überhaupt noch ein Unterschied …?«
»Sie hatten eine Wahl, Ray«, sagte die Frau und legte ihre Hand auf seine. »Man hat ihnen gesagt, dass es wehtun würde und dass sie noch lange danach sehr hart trainieren müssten. Es war ihre Entscheidung, und sie haben zugestimmt – freiwillig.«
»Und du meinst, das ändert etwas an dem, was sie jetzt sind?«
»Nein, aber sie haben es nicht unseretwegen getan. Weshalb sollten wir uns dann Vorwürfe machen?«
Sie hat recht, dachte Farr. Dennoch war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, jemanden mit an Bord zu nehmen, der – zumindest körperlich – kein Mensch mehr war.
»Und wie stehen sie heute dazu, deine Geparden?«, wollte er wissen. »Würden sie es wieder tun?«
»Sie sagen, ja.« Die Frau strich mit den Fingerkuppen über seinen Arm. »Ich weiß, wie es dir geht, Ray. Manchmal fühle ich mich genauso – alt und verrostet. Wir sind nicht mehr jung, aber wir sind noch lange nicht tot. Und wir können immer noch rausgehen und es ihnen zeigen.«
Raymond Farr sagte nichts. Nach einer Weile griff er zum Weinkühler und füllte ihre Gläser neu. Seine Hand zitterte ein wenig, aber er verschüttete keinen Tropfen.
»Darauf sollten wir trinken, Roberta Löwenherz.« Er erhob sein Glas. »Wir werden die Nemesis finden – wenn es sein muss, auch am Ende der Welt.«
»Das werden wir, Commander«, sagte die Frau, und es war wie ein Versprechen.
Sie ließen die Gläser klingen und tranken.
»Darf es noch etwas sein, die Herrschaften?«, erkundigte sich der Kellner, der unbemerkt an ihren Tisch getreten war.
»Es darf«, antworteten sie fast gleichzeitig, und dann lachten sie wie Kinder.
Die Einweisung in die Waffensysteme brachte für Raymond Farr keine neuen Erkenntnisse, aber wenigstens waren alle gekommen. Annie hatte er bewusst außen vor gelassen. Sie hatte mit ihren Lieferanten und sich selbst zu kämpfen, und mit Waffen hatte sie ohnehin nie etwas zu schaffen gehabt.
Kaito Masaos Vortrag widmete sich in der Hauptsache der Bedienung der Combat-Pads, der Reichweite und Präzision der unterschiedlichen Waffensysteme sowie der Bedeutung der Statusanzeigen. Nichts davon war neu oder gar aufregend, und so waren es vorwiegend seine Kopfschmerzen, die Farr wach hielten. Das Neutralisationspack hatte zwar seinen Magen wieder auf Vordermann gebracht, aber der Schmerz oberhalb des Nackens war geblieben. Weißwein hatte er noch nie besonders gut vertragen.
Im Gegensatz zu Roberta oder Koroljov, die mit mehr oder weniger geschlossenen Augen vor sich hin dämmerten, präsentierten sich die »Neuen« hellwach und interessiert. Für die ausgebildeten Einzelkämpfer waren die schweren Waffensysteme an Bord offenkundig Neuland. Ihre manchmal etwas naiven Fragen gaben Masao zudem die Möglichkeit, mit seinem Fachwissen zu glänzen, was ihm sichtlich guttat.
Layla hielt sich dagegen zurück. Sie hatte auf ihre Glitzeruniform verzichtet, nicht aber auf farbliche Kontraste, und präsentierte zu ihren olivgrünen Leggins ein pinkfarben leuchtendes Shirt. Das seltsame Ohr war wieder mit von der Partie, und allmählich befiel Farr der ungute Verdacht, dass es sich keineswegs nur um ein angeklebtes Modeaccessoire handelte.
Die junge Frau meldete sich erst am Ende des Vortrags zu Wort, als Masao, eigentlich eher der Form halber,
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