Götterdämmerung (German Edition)
Veröffentlichungen sowie Vermerke zu seinen Vorlesungen. Ben kannte die meisten der Arbeiten, er wurde jedoch auch hier nicht erwähnt.
Die Polizei hält meine Identität für falsch , dachte er. Kein Wunder. Ich bin schließlich nirgendwo vermerkt.
Aber er hatte doch seinen Ausweis! Die Nummer stand dort drin. Er beschloss, es mit einer anderen Datenbank zu versuchen. M30217L4981267TA.
Komm schon, irgendein Eintrag. Irgendetwas muss doch zu finden sein.
Er stürzte die Cola hinunter und schob das leere Glas beiseite, sodass es mit der Tischlampe und dem Wasserglas eine gerade Linie bildete.
„Nummer gelöscht“ meldete das Netz. Ben starrte ungläubig auf den Eintrag.
Die haben meine Identität gelöscht, schoss es ihm durch den Kopf. Diese fiesen Typen, die mich suchen.
Ja, das ergab Sinn. So konnten die Fremden ihn in Ruhe fertig machen. Er würde von niemandem vermisst werden. Offiziell existierte er überhaupt nicht.
Ben griff sich das halbvolle Wasserglas und schloss seine Hände so fest darum, dass er es fast zerquetschte. Als seine verkrampften Finger zu schmerzen begannen, registrierte er es mit einer Mischung aus Verzweiflung und Genugtuung. Die Schmerzen waren echt, also musste die ganze absurde Situation wohl auch echt sein. Ein Alptraum, der einen Weg in die Realität gefunden hatte. Da saß er nun also. Von der Polizei als Verdächtiger gesucht. Von Verbrechern verfolgt, ohne zu wissen warum. Ohne sein Zuhause . Ohne Geld. Ohne Identität. Ohne seine Eltern. Wenn er verrückt werden würde, hätte er vollstes Verständnis dafür. Aber jetzt durchzudrehen wäre fatal. Er brauchte einen klaren Verstand, um die nächsten Tage zu überstehen. Und er durfte nicht unnötig auffallen.
Langsam schob er das Glas zurück und hielt nach der Bedienung Ausschau. Die Frau war nicht zu sehen. Aber aus der Küche kam das Klappern von Geschirr. Er überlegte, ob er den Knopf auf dem Bedienfeld drücken sollte. Aber ein paar Minuten konnte er ruhig noch hier sitzen bleiben. Er hatte keine Eile, nichts was ihn antrieb. Bedrückt starrte Ben in das gedämpfte gelbe Licht der Tischlampe. Dann überfielen ihn weitere Erinnerungen, Erinnerungen, von denen er nicht sagen konnte, ob sie real waren .
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Das erste was Tom beim Aufwachen wahrnahm, waren Schmerzen. Er griff sich instinktiv an die Brust, konnte aber durch die kugelsichere Weste nicht viel spüren. Immerhin schien er sich keine Rippe gebrochen zu haben. Wahrscheinlich hatte er nur ein paar Prellungen davon getragen. Er hatte wohl Glück gehabt, dass die Sache nicht schlimmer ausgegangen war.
Er öffnete seine Uniformjacke, fühlte die Delle in der Schutzweste und setzte sich auf. Er war allein. Aus den Fenstern ringsum drang Licht, aber niemand kümmerte sich um ihn. Der glatzköpfige Mann war verschwunden.
Verdammter Penner , dachte Tom. Er bemerkte, dass sein Portemonnaie fehlte und fluchte. Dann stand er auf, wobei er sich an der Hauswand abstützte. Seine Beine fühlten sich immer noch wackelig an und er fürchtete, dass sie jeden Moment nachgaben. Doch mit jedem Schritt, den er lief, fühlte er sich sicherer und schließlich konnte er die Hauswand loslassen.
Er tastete nach der Innentasche seiner Jacke und stellte fest, dass sich sein Schlüssel noch darin befand. Die meisten Wohnungen besaßen kein herkömmliches Schloss mehr, sie funktionierten entweder mit Code, Iris-Scan oder DNA-Scan oder allem zusammen – er wohnte jedoch in einer jener altmodischen Wohnungen, deren Vermieter sich noch nicht darum gekümmert hatte. Vielleicht sollte er das selbst tun. Nach dem Erlebnis heute Abend schien es ihm riskanter als vorher mit einem Schlüssel in der Tasche herumzulaufen.
Die Wohnungstür im 30. Stock stand einen Spalt offen, als er aus dem Aufzug trat. Tom erschrak, beruhigte sich jedoch wieder als er gleich darauf das vertraute Gesicht seiner Frau im Flur erblickte.
„Ich habe dich gehört“, sagte Nina statt einer Begrüßung. Sie trug ein pastellfarbenes Kleid und eine Spange im Haar. Tom gab ihr einen Kuss und verriegelte die Tür. Nina warf ihm einen fragenden Blick zu, verschwand jedoch ohne ein weiteres Wort in der Küche, während Nick, ein schwarzer Labrador Retriever, Tom stürmisch begrüßte.
„Ist ja gut, mein Großer“, lächelte Tom. Er registrierte das weiche Fell und die Körperwärme des Tieres unter seinen Händen und stellte wieder einmal fest, wie natürlich dieser Roboterhund wirkte. Auch sein Verhalten
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