Götterdämmerung (German Edition)
unterschied sich kaum von dem eines echten Hundes. Je mehr man sich mit ihm beschäftigte, desto aufgeschlossener und fröhlicher wurde er.
Nick wandte sich nur den Personen zu, die er kannte. Seine Bewegungen waren weich und fließend. Und er bot einige Vorteile gegenüber echten Tieren: Ein Roboterhund kümmerte sich um sich selbst, wenn sein Besitzer keine Zeit hatte. Er hörte zuverlässig auf Befehle, musste nicht Gassi geführt werden und kam mit wenig Platz aus. Außerdem verlor er kaum Haare und wenn er Hunger hatte, lief er selbstständig zur Steckdose, um seine leeren Energiespeicher aufzuladen. Das perfekte Haustier für jemanden wie Tom. Tom und Nina hatten keine Kinder. Es hatte sich nicht ergeben. Bei seinem Job war es wohl auch besser so.
Hechelnd lief Nick zu Nina in die Küche. Sie war die Hauptbezugsperson des Hundes, klar, Tom war ja so gut wie nie zu Hause.
„Es gibt Hackbraten mit Bohnen. Ich habe dir was aufgehoben. Du hast doch noch nicht gegessen?“, rief seine Frau aus der Küche. Sie kehrte zu ihm zurück und diesmal musterte sie ihn genauer. Ihre Stirn runzelte sich. „Du siehst furchtbar aus.“ Sie zeigte auf das Loch in seine Jacke. „Ist das bei Deinem Einsatz passiert?“
Tom winkte ab. „Das war nur so ein Penner.“
„Ein Penner? Hast du dich geprügelt?
Tom warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. „Nein, der Drecksack hat mich überfallen und ausgeraubt!“
„Hast du die Polizei informiert?“
„Das kann bis morgen warten.“
Nina nickte. Sie mischte sich grundsätzlich nicht in seine Angelegenheiten ein, nicht einmal, wenn sie sie ebenfalls betrafen. Tom war es lieber so. Es half ihm dabei, seinen Job in ihrer Gegenwart zu vergessen, all die belastenden Erlebnisse, denen er ausgesetzt war. Und es schützte ihn vor Fragen, auf die er keine Antwort wusste oder keine Antwort geben durfte. Manchmal hatte er das Gefühl, in zwei Welten zu leben. Eine davon war heil. Es roch nach Essen und frischen Blumen. Geschirr klapperte. Der Waschautomat summte leise. In dieser Welt war nichts bedrohlich. Er hatte eine Frau, die ihn liebte und einen Hund – keine Gegner, niemanden, der sich ihm in den Weg stellte.
Die andere Welt war voller Gefahren. Ein bösartiger, hinterlistiger Ort, der ihm nach dem Leben trachtete, wenn er nicht aufpasste. Er dachte an die Toten, die sein letzter Einsatz gefordert hatte. An den Roboter, den er noch nicht aus dem Verkehr ziehen konnte und an die beiden Männer von FUOP-TECH, die sich ihm in den Weg stellten. Aber Tom brauchte beide Welten. Trotz allem. Er konnte sich nicht vorstellen, seinen Job aufzugeben, ebenso wenig wie er sich vorstellen konnte, sein Zuhause zu verlieren. Plötzlich verspürte er den dringenden Wunsch nach einer Zigarette. Er holte das zerknitterte Päckchen aus seiner Hosentasche, betrachtete den zur Abschreckung aufgedruckten Totenschädel auf der Vorderseite, aus dessen Augenhöhlen schwarzer Qualm strömte und verzog den Mund. Nicht wegen des Schädels, sondern weil er an den glatzköpfigen Mann dachte, der ihn zum Dank für seine Zigarette niedergeschossen hatte.
Tom lief ins Bad und stopfte die Packung in den schon vollen Mülleimer. Dann schloss er sich im Badezimmer ein. Er brauchte Zeit für sich. Zeit, die vielen nervenaufreibenden Erlebnisse zu verarbeiten, sie in einem versteckten Winkel tief in seinem Gehirn abzulegen. Zeit, in der heilen Welt anzukommen.
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„Irgendeine Spur von diesem dämlichen Roboter?“, fragte Eisenberg, nachdem er ohne zu klopfen die Tür zu Nadjas Büro aufgerissen hatte.
Die junge Frau schrak zusammen, verschüttete Tee aus ihrer Tasse und drehte sich nach ihrem Chef um.
„Habe ich dich erschreckt?“, fragte Eisenberg mit breitem Grinsen.
Nadja warf ihm einen ärgerlichen Blick zu und stellte ihre Tasse ab. „Nein. Der RT ist bisher nicht wieder aufgetaucht.“ Sie zögerte. „Hast du mit X gesprochen? Was hat er gesagt?“
Eisenberg wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Er meint, dass sei nicht mehr unsere Sache.“
„Wie bitte?“
„Ja. Genauso hat er es formuliert“, murmelte Eisenberg.
„Aber es wird nicht lange dauern, bis jemand mit einer Verfügung hier auftaucht“, protestierte Nadja. „Vielleicht nur ein, zwei Tage. Jetzt sieht es doch so aus, als wollten wir RT 501 absichtlich einbehalten.“
„Das kann ich auch nicht ändern“, herrschte Eisenberg sie an. „Ist nicht meine Schuld.“
Er setzte sich auf den
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