Götterdämmerung (German Edition)
sank zur Seite. Er war weggetreten.
Simon lächelte, trotz der Schmerzen im Gesicht. Elecodin war ein starkes Beruhigungsmittel, so stark, dass es einen Menschen in einen tiefen Schlaf versetzen konnte. Vorausgesetzt, man erwischte die richtige Dosis. Vorsichtshalber setzte er den Stick erneut an und wartete, bis er einen leisen Piepton hörte. Das war das Zeichen, dass der Inhalt aufgebraucht war. Okay. Die Menge würde ausreichen, um Oliver ein paar Stunden außer Gefecht zu setzen. Trotzdem zog Simon es vor, sich zu beeilen. Hastig räumte er die Möbel beiseite, mit denen Oliver die Tür verbarrikadiert hatte. Dann zog er sich an, steckte seine Ausweise ein und verließ die Wohnung, ohne zurückzublicken.
Er trat aus dem Hauseingang auf die Straße. Es war kalt. Die Temperaturen lagen knapp über Null. Simon wünschte, er hätte Handschuhe mitgenommen. Er schlug den Kragen hoch und steckte die Hände in die Jackentaschen. Noch einmal in seine Wohnung zurückzukehren, wollte er nicht riskieren. Vorsichtig sah er sich nach allen Seiten um. Dann eilte er davon.
•
Ben hörte Stimmen im Saal und riss die Tür auf. Inzwischen waren die meisten Leute gegangen. Nur Max, Sebastian und Monica befanden sich noch in dem Raum. Ben war froh darüber. Er brauchte kein großes Publikum für seine Unterredung.
Er registrierte nebenbei, dass auf dem Tisch eine große Schale mit Erdnüssen stand und eine Kerze, die durch den Luftzug, den die offene Tür verursacht hatte, flackerte. Die drei Personen saßen dicht nebeneinander auf ihren Stühlen und diskutierten. Als sie Ben bemerkten, unterbrachen sie das Gespräch und drehten ihm die Köpfe zu.
„Brauchst du etwas?“, fragte Monica freundlich.
„Irgendetwas stimmt nicht mit mir“, begann Ben zögernd.
Max räusperte sich. „Mach die Tür zu und komm her!“, befahl er. Die anderen sahen den Alten skeptisch an und schwiegen.
„Was ist es? Was stimmt nicht mit mir?“, hakte Ben nach. „Warum werde ich wirklich gesucht? Wieso war Max so schnell in der Nähe von Kai Drechslers Haus?“
Er hob den rechten Arm und streckte ihn anklagend in Max’ Richtung. Max wippte mit dem Kopf.
„Warum reden Sie nicht mit mir?“ fuhr Ben fort.
„Setz dich!“, sagte Max schließlich. „Dann erkläre ich es dir.“
Ben starrte ihn an. Er wollte sich nicht mit weiteren Ausflüchten abspeisen lassen. „Egal, was es ist, sagen Sie es mir!“, flehte er. „Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren.“
Max nickte. Monica kaute auf ihrer Unterlippe. „Er ist noch nicht soweit, Max“, sagte sie leise. Doch der alte Mann zuckte nur mit den Schultern. „Klar ist er soweit. Sonst würde er nicht fragen. Setz dich!“, wiederholte er. „Wir haben auf deine Fragen gewartet.“
Ben ließ sich auf den antiken Polsterstuhl fallen, auf den Max wies.
Der Alte verschränkte die Hände vor der Brust. „Egal, wie ich es anstelle, ich finde keinen passenden Anfang“, erklärte er. „Deshalb sage ich es geradeheraus: Du bist kein Mensch.“
Monica rollte mit den Augen. Sebastian stützte den Kopf auf seine Hände und musterte den Jungen aufmerksam.
Ben hatte das Gefühl, als hätte der Alte nicht mit ihm gesprochen, sondern mit einer unsichtbaren fünften Person im Raum.
„Was reden Sie da?“, fragte er schließlich, nachdem ihm klar geworden war, dass der Alte tatsächlich ihn gemeint hatte. „Natürlich bin ich ein Mensch.“ Er sah an sich herunter, betrachtete seine Beine, Arme, Hände. „Was soll ich sonst sein? Ein Außerirdischer?“
„Ein Roboter.“
Ben lachte hilflos. „Aber … Das ist … nein. Nein! Wenn ich ein Roboter wäre, müsste ich das doch wissen. Ich kann gar kein Roboter sein. Ich erinnere mich doch an alles: An meine Kindheit. Die Zeit, als ich ganz klein war. Wie ich aufgewachsen bin. Ich weiß alles noch. Ich meine, ein Roboter würde sich doch nicht an seine Kindheit erinnern. Oder?“ Er sprang auf und sah von einem zum nächsten.
„Dein Gedächtnis ist bemerkenswert, keine Frage. Aber das macht dich nicht zu einem Menschen“, sagte Monica sanft.
Ben schüttelte ungläubig den Kopf. „Hören Sie auf!“, rief er. „Hören Sie endlich auf, mich anzulügen!“ Er hielt einen Moment inne, verzog den Mund und setzte sich zurück auf seinen Platz. „Das ist ein Test, habe ich Recht? Sie wollen mich testen, ob ich zuverlässig bin. Max?“
Max schüttelte den Kopf. „Es tut uns leid, aber das ist kein Test.“
„Du warst nie darauf
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