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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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nicht bloß einbilden. Unmöglich. Er drückte mit dem Zeigefinger gegen das Weiße in seinem Auge und wartete auf den Schmerz. Da war er. Deutlich wahrnehmbar. Aus dem Augenwinkel sah sein Finger aus wie ein großer runder Punkt. Er ließ den Arm sinken. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber er wusste, dass er nicht durchdrehen durfte. Was auch immer mit ihm nicht in Ordnung war, es half ihm nicht, wenn er sich selbst verletzte.
    Ein paar Sekunden lang wartete er noch. Dann riss er die Tür auf und lief den Gang entlang, die Treppe hinunter zum Saal, in dem sich bei seiner Ankunft die Leute versammelt hatten. Er hatte keine Geduld mehr. Er wollte endlich wissen, was sie vor ihm verbargen.
     
    •
     
    Die Dunkelheit erreichte auch die Wohnung von Simon, nur bestand sie hier inmitten der Stadt eher aus einem tristen Dunkelgrau als aus Schwarz. Die wenigen Sterne, die am Himmel zu sehen waren, konnte man an zwei Händen abzählen. Umso stärker leuchteten Reklametafeln und Straßenlampen. Tausende strahlende Lichter, die das Viertel mit seinen heruntergekommenen Häusern in unverdienten Glanz tauchten und die Milchstraße hinter einer Glocke aus Licht verbargen.
    Simon stand am Fenster und sah durch einen Spalt in der geschlossenen Wohnzimmerjalousie auf die Straße hinaus. Alles schien ruhig zu sein. Ungewöhnlich ruhig. Noch weniger Fußgänger als üblich wagten sich trotz der grellen Beleuchtung hinaus. Auch waren die Abstände der Fahrzeuge auf den Straßen größer als gewöhnlich.
    Er schloss den Spalt. Nach dem, was Oliver ihm erzählt hatte, hätte er sich über eine Horde kampfbereiter Roboter unten vor dem Haus nicht gewundert. Er konnte nur hoffen, dass die Maschinen zufrieden waren mit dem, was sie erreicht und vermutlich beabsichtigt hatten: die Organisation zu zerschlagen.
    Er dachte an Isabelle und drehte sich zu Oliver um, der wie die meiste Zeit im Sessel saß und ihn argwöhnisch beobachtete, jeder Bewegung Simons mit dem Kopf folgend. Die Pistole steckte in seinem Gürtel, das EMP-Gewehr lag in Griffweite. Der Boss nahm es überall mit hin. Wenn er aufsprang, um unruhig eine Runde durch die Wohnung zu laufen, tat er das nicht ohne diese Waffe.
    Es war still in der Wohnung. Niemand sagte etwas. Oliver wollte nicht fernsehen und auch keine Musik hören, nichts, was eventuell verdächtige Geräusche überdeckte. Er hatte lediglich eine Zeit lang im Internet verbracht. Simon fiel auf, dass sein Blick seitdem etwas weniger trüb war. Warum auch immer. Seit Oliver die Pistole auf ihn gerichtet hatte, beschränkte sich ihre Konversation auf das Notwendigste.
    Gleich nachdem Vincent versorgt war, hatte Simon den Versuch unternommen, dem Boss von seinen Vermutungen zu erzählen. Davon, dass professionelle Hacker auf seine Website zugegriffen und durchaus mit dem Überfall zu tun haben könnten. Doch Oliver ging nicht näher darauf ein. Ein beißendes „ Denkst du, ich bin zu blöd, selbst darauf zu kommen?“ war alles, was er zu sagen hatte. Seitdem schwiegen sie.
    Simon wusste, was das bedeutete. Es bedeutete, dass Oliver ihm nicht vertraute, dass er nicht bereit war, von seinem Verdacht abzurücken. Für den Boss schien festzustehen, dass Simon der Schuldige war, obwohl seine Version weitaus plausibler klang. Und das war das eigentlich Kränkende. Wann hatte er ihm jemals Anlass gegeben, an ihm zu zweifeln? War er nicht stets loyal gewesen? Hatte er nicht seine gesamte Freizeit der Organisation und ihren Zielen geopfert? Es enttäuschte ihn, dass Oliver so wenig an ihn glaubte. Wie wenig er selbst hinter seinen Mitgliedern stand.
    Das mit der Loyalität gilt nur für uns , dachte er bitter. Nicht für ihn.
    Aber wie ging es nun weiter?
    „Ich muss gleich noch mal weg“, brummte Simon. Oliver stieß ein kurzes abfälliges Lachen aus. „Kommt nicht in Frage!“
    Ruckartig drehte Simon sich wieder zum Fenster. „Du kannst von mir aus bleiben, solange du willst!“, knurrte er, während er Oliver in der Scheibe beobachtete. „Aber ich habe einen Job und ich muss nachher noch mal los.“
    „Erst wenn ich weiß, dass du sauber bist!“
    „Was denn? Denkst du, ich hetze dir die Killerroboter auf den Hals?“
    „Gut möglich.“
    Simon stöhnte genervt. „Du spinnst doch!“
    „Ach ja? Fassen wir doch mal die Fakten zusammen: Jemand loggt sich auf meine Seiten ein und installiert ein verdammtes Sniffer-Programm – und zwar über deinen Code! Dann wird unser Treffpunkt überfallen und der

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