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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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örtlichen Dialekt. Er hatte sich mit einem irakischen Geschäftsmann angefreundet und einen Deal mit ihm ausgehandelt. Das Geld sollte geteilt werden und der Iraker sollte den Anteil der beiden Jungs per Post in die Staaten schicken. Sie meinten, sie könnten ihm das anvertrauen. Er war ein anständiger Mann.«
    »Klingt eher unwahrscheinlich«, sagte ich.
    »Mario sah das anfangs ebenso. Aber der Iraker hatte ein kleines Unternehmen, Import/Export. Er war häufig unterwegs, unternahm Geschäftsreisen nach Syrien und in den Libanon. Mario erzählte, der Mann habe einen Yugo gefahren, der vierhunderttausend Kilometer auf dem Zähler hatte. Der Iraker hat das Geld zusammen mit anderen Waren von Aleppo aus verschifft. Es landete direkt in Hectors Postfach bei der Poststelle der Universität. Es war fast zu leicht, um wahr zu sein.«
    »Also ist es Marios Geld, nicht Hectors. Oder deins.«
    »Mario wurde bei einem Gefecht mit Aufständischen in Al Qaim getötet.«
    »Und der Freund?«
    »Keine Ahnung. Hector weiß auch nichts. Uns ist nur bekannt, dass er aus Kalifornien kam. Ich nehme an, dass er sich mit seinem Anteil ein schönes Leben macht.«
    »Es handelt sich hierbei um Konterbande. Du kannst es nicht behalten.«
    »Warum nicht? Die Regierung würde es nur dazu benutzen, die Ölfelder und Pipelines im Irak wieder flottzumachen. Darum ging es doch in erster Linie bei diesem verdammten Krieg — eine neokonservative List, um sich aus dem Würgegriff der OPEC zu befreien. Hector hat eine viel bessere Verwendung dafür.«
    »Es wird als schwerer Diebstahl angesehen. Man wird euch beide für eine lange Zeit wegsperren.«
    »Willst du uns ans Messer liefern? Willst du was von dem Geld, damit unser kleines Geheimnis gewahrt bleibt? Nenn mir deinen Preis, J.P.! Fünfzigtausend? Einhunderttausend? Die Hälfte?«
    »Hör auf, Carla. Mir geht es nur um dich. Und um Luther. Um Himmels willen, ist dir klar, worauf du dich da eingelassen hast?«
    Sie lehnte sich gegen das Fenster und sah hinaus auf die Landschaft, die vorbeizog. Die niedrig stehende Sonne erfasste Strähnen ihres kurzen Haares und verwandelte sie in goldene Fäden. »Glaubst du an Wunder, J.P.?«
    »Ich bin aus El Paso. Wir haben das Monopol auf Wunder.«
    »Mario hat ein Bild der Jungfrau von Guadalupe in das Paket gelegt, um den sicheren Transport zu gewährleisten. Zwischen Samara und Grenzstädten wie Al-Waleed oder Al-Tanf musste das Paket durch Dutzende von Kontrollpunkten geschleust werden. Meine Güte, der Iraker musste es durch das Ödland der Al-Anbar-Provinz transportieren. Wie stehen die Chancen für ein Paket mit einer halben Million Dollar, von Samara durch die Al-Anbar-Wüste über Aleppo bis nach El Paso zu gelangen, ohne von einer Regierungsbehörde abgefangen, von einem Kampfhubschrauber zerschossen oder von Wegelagerern erbeutet zu werden? Eins zu einer Million? Eins zu zehn Millionen?«
    »Willst du mir erzählen, du bist zu einer katholischen Mystikerin geworden? Zu einer Jungfrauenverehrerin? Eine eingefleischte, neo-kommunistische Öko-Aktivistin wie du?«
    »Ich war nie Atheistin. Selbst in der roten Hochphase haben viele Kommunisten die Sakramente empfangen.«
    »Sie werden es wohl nötig gehabt haben«, sagte ich. »Also, wie sieht Hectors Plan für die Verwendung der Beute aus?«
    »Das Geld geht nach Mexiko. Genau wie wir.« Bei dem »wir« musste sie schlucken. Aber wie jeder gute Soldat gestattete sie sich nicht den Luxus der Gefühlsduselei.
    Ich dachte darüber nach, wie sie mich in ihren Plan eingebunden hatte, wie ich hineingetappt war, wie ein Blinder in den Treibsand. »Du hast mich mit hineingezogen, wohl wissend, dass sie mich wegen Beihilfe drankriegen können.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Wir brauchten Hilfe. Ich hatte das Gefühl, auf dich zählen zu können. Und ich weiß, dass du kein Heuchler bist.«
    »Danke für das Gütesiegel. Das könnte sich noch als nützlich erweisen, wenn ich erst mal unter all den Liberalen in Leavenworth weile.«
    Sie berichtete, dass Hector in Juárez ein Stück Land mit sicheren Häusern für Immigranten bebauen und in El Pasos Lower Valley ein Haus kaufen wolle, um ihnen eine Unterkunft zu bieten, wenn sie die Grenze überquert hätten. Es handele sich um eine Art Untergrund-Trasse für Durchreisende. Sie nannte sie »Durchreisende«, nicht »Illegale«. Ihrer beider Anliegen sei es, so Carla, den Verzweifelten auf ihrer Suche nach einem menschenwürdigen Dasein ein wenig

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