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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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Bequemlichkeit zu bieten. Hector und seine Freunde seien durchaus imstande, die schlechten Äpfel auszusortieren — Drogenschmuggler, zum Beispiel.
    Grenzen, sagte sie, seien eine Erfindung der Politik, Ergebnisse imperialistischer Kriege und gerechtfertigt mit pseudorationalen Erklärungen wie dem Manifest Destiny. Die Waffe am Kopf, sei Mexiko durch den Vertrag von 1848 nahezu halbiert worden. Was einst Mexiko gewesen sei, sei mithilfe brutaler Gewalt US-Territorium geworden. Mexikanische Familien seien durch eine willkürliche Linie im Sand auseinandergerissen worden. Viele, die illegal die Grenze passierten, hofften, bei Verwandten unterzukommen, bis sie Arbeit gefunden hätten, so Carla weiter. »Konservative machen sich Sorgen über die sogenannte Latinisierung des amerikanischen Westens«, sagte sie. »Tatsächlich jedoch handelt es sich um eine Re-Latinisierung.«
    »Man erntet, was man sät«, sagte ich.
    »Grob vereinfacht, aber mehr oder weniger wahr.«
    »Die Scharfschützen der HBB sind da einer Meinung mit dir.«
    »Was die sich entwickelnde Situation anbelangt, nicht was die Lösung betrifft. Sie sind paranoide Mörder. Wir sind auf der Seite der Engel.«
    Ich musste beinahe lachen. Nur ein zum Kamikaze bereiter Fanatiker konnte so etwas ohne Ironie sagen. Teufel noch eins, ich war ebenfalls auf der Seite der Engel — will sagen, wer, der auch nur halbwegs ein Herz besaß, wäre das nicht? —, aber meine Ziele waren weniger hochgesteckt. Nie und nimmer würde ich einer derartigen Sache wegen mein Leben aufs Spiel setzen, es sei denn, ich hätte den Verstand verloren. Es hatte Engel gegeben, die eine Sache zur ihren gemacht und ebenfalls einen Ozean von Blut dabei vergossen hatten.
    Dennoch, ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich wegen meiner mangelnden politischen Ziele kein schlechtes Gewissen hatte. Zumindest dazu war ich fähig. Alle Menschen auf diesem Planeten haben das Recht auf Sicherheit und ausreichende Nahrung, haben ein Anrecht darauf, mit ihrem Schicksal zufrieden, wenn nicht sogar wahnsinnig zufrieden zu sein, warum auch nicht, verdammt noch mal? Aber ich hatte keine Vorstellung, wie man diesen Traum Wirklichkeit werden lassen könnte. In meinem Leben würde das nicht mehr geschehen. Zuvor müsste es einige Veränderungen bei den Menschen allgemein geben. Vielleicht könnten die Gen-Ingenieure so lange am menschlichen Naturell herumfeilen, bis es friedlich, hilfsbereit und großzügig wäre, statt rastlos, destruktiv und eigennützig. Und vielleicht würden Schweine dann fliegen und Singvögel quieken.
    Ich ging mit dem Monte runter auf hundert. Neuere Wagen, die hundertzwanzig und hundertfünfzig fuhren, überholten uns. Der Vollmond, groß wie ein Essteller, füllte die breiten Lücken zwischen den Gipfeln der Manzano Mountains. Völlig unvermittelt kam mir Kat in den Sinn, die für mich nicht erreichbar war, und dann Dani Thrailkill, die es war. Wie gern wäre ich jetzt im Bett einer netten Frau, dachte ich, wie gern würde ich jetzt den warmen Körper neben mir spüren. Sex, Essen, ein Dach über dem Kopf — die schlichteste Form des Daseins, die man sich vorstellen kann. Es bedürfe nur zweier Menschen, eine Welt zu erschaffen, hatte ein Weiser einmal gesagt. Aber mehr noch wird ein verwirrendes und in seinen Einzelheiten nicht voraussagbares Durcheinander voller unlösbarer Probleme geschaffen. Das war alles, was ich wusste. Und mehr würde ich niemals wissen.
    »Wer weiß von dem Geld«, fragte ich, »außer Hector und dir?«
    »Der andere Soldat natürlich. Aber wie gesagt, ich weiß weder, wie er heißt, noch wo er sich aufhält.«
    Carla sank tief in ihren Sitz und berührte ihre Stirn mit den Fingerspitzen, als säßen dahinter Kopfschmerzen. »Ich wollte nicht, dass alles so verdammt kompliziert wird«, sagte sie.
    Für mich bezog sich das nicht nur auf die Ereignisse des Tages. Etwas war geschehen, womit sie nicht gerechnet hatte. Die Liebe hatte dazwischengefunkt. Sich in Hector zu verlieben war nie Teil ihres Plans gewesen. Das verlieh dem Ganzen eine offene Flanke, die es nicht gäbe, hätten die beiden sich nur auf ihr Vorhaben konzentriert. Soldaten auf Seiten der Engel hatten nicht die Muße für einen verzwickten Zeitvertreib, wie Liebe ihn darstellt.
    Carla ließ ihren Gefühlen und ihren Tränen freien Lauf, nickte jedoch ab und an ein, wenn die nackte Müdigkeit ihren Kummer überwältigte. Gut fünfzehn Kilometer vor Truth or Consequences fuhr sie im Sitz

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