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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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dahinter, gezielt, routiniert. Nieren, Unterleib, seitlich zum Kiefer und unter das Herz. Kam ich auf die Beine, wurde ich wieder zu Boden geschickt. Ich wollte mich unter den Tisch rollen, wollte mal durchatmen, doch ihre mit Stahlkappen ausgestatteten Nagelschuhe trafen mich, bevor ich dorthin gelangte. Die Fähigkeiten ihrer Füße standen denen ihrer Fäuste in nichts nach: Tritte gegen den Rücken, die Rippen, seitlich zum Kopf, gegen den Nacken, gegen das Steißbein.
    »Ihr habt gewonnen«, sagte ich, doch sie waren anderer Meinung.
    Ich verlor das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, machten sie weiter, gezielt, langsam, ausdauernd. Hacken, Zehen, Fäuste. Halb im Dämmer bemerkte ich, dass ich mir in die Hosen gepinkelt hatte.
    Plötzlich sahen sie auf ihre Armbanduhren und hörten auf, als arbeiteten sie nach Tarif. Little Big ging zur Spüle und ließ Wasser in ein Glas laufen. »Ist das Wasser aus dem Hahn in El Paso immer so pisswarm?«, beschwerte er sich. Doch er stürzte es hinunter und füllte für seinen Partner nach. Dann setzten sie mich auf einen Stuhl, nahmen Klebeband und fesselten meine Arme an die Rückenlehne und meine Knöchel an die Beine des Stuhls. Wie sich herausstellte, hatten sie noch andere Waffen dabei: alte, schwere .45er Single-Action-Colts, die Läufe mit Gravur und die Griffe aus Kirschholz, Wildwest pur. Extra Big probierte, ob der Lauf seines Revolvers in meine Nase passte. Er passte nicht, aber er machte es passend. Dabei riss das Korn irgendetwas auf und Blut floss mir über die Lippen. Extra Big zog den Lauf heraus und wischte ihn an meinem Hemd ab.
    Little Big und Extra Big hockten sich hin und ihre Gesichter rückten nah an mich heran. Die Kombination ihrer beider Atem roch nach gebratenem Speck und Cheetos.
    »Nun erzähl uns mal, wo dieser Stinker von Mestize steckt oder wir müssen dir ein bisschen wehtun«, sagte Extra Big.
    »Mein Gott, das habt ihr doch schon«, sagte ich. Ich fuhr mit der Zunge meine Schneidezähne entlang. Sie bewegten sich, als hingen sie an Scharnieren.
    »Nö«, sagte Little Big, »wehgetan haben wir dir nicht, wir haben uns nur vorgestellt. Waren doch nur angedeutet, die Schläge. Nicht einen Knochen haben wir dir gebrochen, meine ich. Du wärst jetzt tot, wenn wir hundert Prozent gegeben hätten. So richtig Vollgas gegeben hätten, meine ich.«
    Extra Big schraubte den Verschluss seines Benzinkanisters ab und goss mir eine Ladung in den Schoß. »Ich lass ’n Streichholz fallen und schon brennst du. Zuerst sind deine Kronjuwelen dran. Du kannst dasitzen und zuschauen, wie dein Sack samt Rute verkohlt. Du kannst uns aber auch den Mestizen liefern.«
    »Er ist tot«, sagte ich.
    Little Big und Extra Big sahen einander an. »Tot?!«, wiederholte Extra Big. »Du hast ihn tot gesehen? Du hast Beweise? Vielleicht hast du ein Polaroid, auf dem er tot daliegt? Das Wort von einem Zuhälter aus El Paso, der behauptet, dass der Junge tot ist, hinter dem wir her sind, gilt bei uns nämlich nichts.«
    »Zuhälter?«
    »Kein Grund, sich zu schämen«, sagte Little Big. »Wir wissen, wie du an deine Kröten kommst. Aber woher will so ein mieser Zuhälter wissen, dass unser Mestize ins Gras gebissen hat?«
    Ich hatte keinen blassen Schimmer, weshalb sie mich als Zuhälter bezeichneten, aber ich hielt es für klüger, mitzuspielen. Ich erzählte ihnen von Scales, von seiner nackten Leiche und dem verschwundenen Hector. Das Paket mit dem Geld ließ ich unerwähnt, genau wie alles andere, was die Geschichte für sie undurchsichtiger machen würde. »Andere Kopfgeldjäger müssen Scales eingeholt haben«, sagte ich.
    »Weshalb ist so ein Zuhälter wie du überhaupt hinter ihm her?«, wollte Extra Big wissen.
    »Weshalb seid ihr wohl hinter ihm her?«
    »Moment mal«, sagte Little Big, »du bist Zuhälter und spürst gleichzeitig Leute auf? Wie kriegst du das zeitlich gebacken?«
    »Ich habe einen Großteil meiner Mädels an das New-Orleans-Syndikat verloren. Die Hispanics sind hier aufgekreuzt, hatten mehr Geld zu bieten, außerdem Krankenversicherung und Altersvorsorge. Die hatten einen ziemlichen Aderlass wegen Hurrikan Katrina und mussten aufstocken. Für mich war der Drops in dem Moment gelutscht.«
    »Und warum hätten die anderen Kopfgeldjäger den Jungen umbringen sollen? Sie hätten ihn nur den Rangers übergeben müssen, um die Belohnung zu kassieren.«
    »Die waren nicht an der Belohnung interessiert, sagte ich. »Es ging um Rache.«
    Ich

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