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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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präsentierte ihnen die Story um die Hans-Brinker-Brigade, erzählte von ihrem millionenschweren Gründer und seinem Sohn, der von Hector getötet worden war. Ich verschwieg die Belohnung, die der Millionär aus Phoenix zu bieten hatte — das hätte sie nur wieder stutzig gemacht und ich wollte sie eher einlullen.
    Doch Extra Big kaufte mir nichts von dem ab. Er schlug so hart zu, dass ich mit dem Stuhl nach hinten kippte. Ich spürte einen losen Zahn im Mund, der in Blut schwamm.
    »Was für ein Blech!«, rief er. »Für wie beknackt hältst du uns? Du bist derjenige, der den Mestizen versteckt. Sag uns sofort, wo er ist, oder ich zünd ’n Streichholz.«
    Ich hörte schwere Schritte auf dem Treppenabsatz vor meiner Tür.
    »Da ist er«, sagte ich.

31
    Natürlich war es nicht Hector. Es war Luther. Ein erschrockener und zugleich völlig verwirrter Luther. Und er hatte die Mossberg dabei. Seine Lippen bewegten sich, doch er bekam keine Silbe heraus, produzierte nur erstickte Laute, so, als würde er ein Pfund Kies verschlucken. Extra Big riss seinen Colt hoch, aber da hatte Luther bereits abgedrückt. Zwar war es Extra Big gelungen, einen Schuss abzufeuern, aber es geschah in einem letzten Reflex und die Kugel schlug in der Zimmerdecke ein, wo sie ein perfektes .45er Loch hinterließ. Er hatte auch versucht, seinen Kopf aus der Schusslinie zu bewegen, jedoch nur erreicht, dass sich sein Hinterkopf in Form von rotem Brei über die Wand verteilte. Der Rest von Extra Big landete auf dem Hintern und brach auf dem Boden zusammen. Aus seiner perforierten Halsschlagader spritzte Blut in einer Doppelfontäne in den Raum. Luther feuerte ein zweites Mal, diesmal auf seine Gestalt, die sich in den Glasscheiben meiner Balkontüren spiegelte.
    Little Big vergeudete keine Zeit mit seinem Colt, sondern nahm in geduckter Haltung Kurs auf Luthers Beine, wohl in der Überlegung, ihm die Flinte von unten zu entreißen. Allerdings führte er sein Vorhaben nicht schnell genug aus, denn Luther jagte aus nächster Nähe zwei Ladungen Schrot in Little Bigs Rücken und zerlegte ihn ziemlich genau in zwei Hälften.
    Wie in Blut gebadet, die Unterschenkel im Klammergriff der leblosen Arme von Little Big, setzte Luther mit hoher Stimme zu einem Wehklagen an. Er stieg einfach aus der Umklammerung, schwang die Flinte mehr oder weniger abgehackt und beschrieb Bögen, während er sich nach möglichen weiteren Schützen im Hinterhalt umsah. Er lief Amok und hatte noch einen Schuss. Das gestaltete die Situation knifflig.
    Sein mit Blut bespritztes Gesicht war verzerrt und zeigte in schneller Abfolge unterschiedlichste Emotionen — Furcht, Hass, Genugtuung, Reue, Freude. Mit klappernden Zähnen zielte er in meine Richtung. Ich lag noch am Boden, gefesselt an den Stuhl. Was auch immer er über meinem Kopf zu sehen glaubte, er schoss darauf, langte in die Tasche, lud die Mossberg nach, setzte sie an die Schulter und kniff die Augen zusammen. Ich spürte die Luftbewegung des Schusses an meinem Ohr, als fliege ein Schwarm Hornissen in Überschallgeschwindigkeit vorbei. Ich spuckte den Zahn samt Blut aus und rief:
    »Mensch, Luther! Sie sind tot! Erschieß mich nicht auch noch!«
    Allmählich kam er wieder runter, setzte sich aufs Sofa und legte die Waffe quer über seine Oberschenkel.
    »Hast du ’n Bier?«, fragte er.
    »Im Kühlschrank. Bedien dich. Aber leg erst mal die Flinte weg.«
    »Mann, hab ich einen Durst. So durstig war ich noch nie. Nicht mal in Riad, wo vierzig Grad an der Tagesordnung waren. Ich habe nie jemanden erschießen müssen, aber durstig war ich immer.«
    Er legte die Waffe auf den Boden und stolperte in die Küche. Ich hörte, wie er eine Dose aufriss und das Bier hinunterkippte. Dann öffnete er eine zweite und brachte sie mit ins Wohnzimmer. Er setzte sich aufs Sofa und sah mich an, zum ersten Mal, seitdem er die Party gesprengt hatte. »Was hast du eigentlich da unten verloren, J.P.? Steh auf.«
    »Geht nicht. Ich bin an diesen verdammten Stuhl gefesselt. Hol ein Messer aus der Küche. Du musst mich losschneiden.«
    Er verschwand in der Küche und kam mit einem fünfzehn Zentimeter langen Ausbeinmesser zurück. Seine Hände zitterten heftig. »Sei um Himmels willen vorsichtig. Das Messer ist scharf.«
    »Du bist ein Chaot, J.P. Ich habe dir doch gesagt, dass sie kommen werden. Wie konntest du das hier zulassen?«
    Ich wusste darauf keine Antwort.
    Luther machte mich vom Stuhl los. Man hatte mich derart zugerichtet, dass ich

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