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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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nicht aufrecht stehen konnte. Ich kroch zum Sofa und kletterte darauf.
    »Du siehst echt Scheiße aus«, stellte Luther fest. »Vor allem deine Nase. Ich fahre dich ins Columbia, in die Notaufnahme.«
    »Später. Die Cops werden gleich hier sein.« Ich hörte bereits die Sirenen. Vermutlich hatte jeder hier im Haus und auch der eine oder andere von gegenüber den Notruf alarmiert. Eine Mossberg veranstaltet einen gewaltigen Krach.
    »Wir werden wohl oder übel mit ihnen darüber reden müssen. Egal, was du machst, Luther, sag auf jeden Fall die Wahrheit. Schildere es genau so, wie es sich abgespielt hat.«
    »Cops? Scheiße, Scheiße … meinst du, die buchten mich ein? Ich habe diese Südstaatler in Notwehr erschossen, oder etwa nicht? Hört sich das nach einer Lüge an? Sie waren kurz davor, dich fertigzumachen. Was hätte ich tun sollen, mit ihnen diskutieren? Ihnen aus dem Evangelium predigen? Nach dem Motto, alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch? Küsse den Arsch deines Nachbarn, damit er sein neuner Eisen nicht in deinen rammt? Dieser dicke Mistkerl hätte mich durchlöchert.«
    »Dein Timing ist bestechend. Wie hast du es geschafft, genau im richtigen Augenblick aufzutauchen? Die Cops werden dich das fragen.«
    »Ich bin nicht irgendwie aufgetaucht. Ich habe draußen in meinem Wagen gesessen, fast eine Stunde lang. Ich habe mich mies gefühlt, weil ich dir die Typen auf den Hals gehetzt habe. Aber ich musste all meinen Mut zusammennehmen. Ich stand kurz davor, nach Kern zurückzufahren.«
    Er wartete auf Worte der Anerkennung. »Du hättest zehn Minuten früher auf der Matte stehen können«, sagte ich, »aber ich bin froh, dass du nicht nach Hause gefahren bist. Man braucht Eier, um das zu tun, was du getan hast.«
    »Ja, so ist es wohl, oder?«, erwiderte er gedankenverloren. »Ja, so ist es ganz bestimmt.«
    Er stand noch immer voll unter Adrenalin. Seine Hände zitterten genau wie seine Beine. Er konnte sie nicht still halten. Die Absätze seiner Schuhe trommelten auf den Boden und seine Gesichtszüge waren in Bewegung: grinsen, Lippen spitzen, lächeln, blinzeln. Die Folgen seines Tablettenkonsums. Unwillkürliche Muskelkontraktionen im Bereich des Gesichtes. Es überraschte mich, dass er in seinem Zustand in der Lage gewesen war, Little Big und Extra Big auszuschalten. Nach Luthers Vorstellung — die wirklich Eier erfordert hatte — würde mich nichts mehr in Erstaunen versetzen können.
    Er musste sich übergeben, danach fing er an zu lachen. Was wie ein kindliches Kichern begann, steigerte sich zu einem irren Gackern.
    »Ich bin heilfroh, dass ich es gemacht habe«, sagte er, nachdem er sich wieder im Griff hatte. »Diese Schläger haben erst mich misshandelt, dann dich. Kretins dieser Sorte haben seit ihren Kindergartentagen andere verletzt. Sie haben es verdient zu sterben. Jesus hätte sie mit einer Feueraxt gerichtet. Ich verspüre den Drang, sie ein zweites Mal zu töten.« Er hob die Mossberg auf und presste sie gegen seine Brust wie ein Kind sein liebstes Kuscheltier.
    »Lass es sein. Es wäre den Cops nur schwer zu vermitteln, weshalb du noch mal auf die beiden geschossen hast.«
    Er gewann wieder Bodenhaftung, holte sich noch ein Bier und trank es in einem Zug. Er rülpste. Sein Blick war schläfrig, fast schon normal, die Anspannung des Kriegers war gewichen.
    »Wieso hast du ihnen das mit dem Zuhälter aufgetischt?«, fragte ich.
    »Ist mir einfach so herausgerutscht. Ich wusste nicht, was ich sage, ich hatte nur noch Schiss, dass sie mir Benzin über den Kopf gießen.«
    »Ich habe ziemlich schnell hineingefunden in die Rolle. Vielleicht ist es ja meine wahre Bestimmung.«
    Er sah mich entgeistert an.
    »Das sollte ein Witz sein, Luther«, sagte ich.
    »Hat sich aber nicht danach angehört.«
    Genau in diesem Moment ließ Extra Big einen fahren — einen letzten Ausstoß von Methan. Luther und ich fuhren zusammen. Er schnappte sich die Mossberg und schoss ein Loch in die Wand zur Küche.

32
    Der erste Schwung Polizisten sprach nicht mit uns. Sie legten uns Handschellen an und verfrachteten uns in verschiedene Streifenwagen. Noch mehr Einsatzfahrzeuge trafen ein, Sirenen heulten und die Straße füllte sich mit Schaulustigen. Ein Cop in Zivil setzte sich auf den Fahrersitz des Wagens, in dem ich hockte.
    »Sieht nach ’ner echten Wildwestshow aus da drin«, sagte er. »Ist die Stimmung auf der Party gekippt?«
    Ich erkannte ihn sofort. Er war groß,

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