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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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wie aus einem Backofen. Diesmal setzte ich mich ans Steuer, denn Luther hatte noch nicht zu seinem Normalzustand zurückgefunden. Andererseits gab es für Luther keinen Normalzustand. Es gab nur Abweichungen von einem hypothetischen Punkt auf einer hypothetischen Linie. Was auf uns alle zutraf — ein Gedanke, den ich jedoch nicht weiter vertiefen wollte.
    Luther verfiel in starres Schweigen. Von Zeit zu Zeit sah er nach hinten, auf die Rückbank. Was auch immer er dort sah, es versetzte ihn nicht in Panik, aber ich spürte seine aufgestaute Angst, so sehr, dass es auf meiner Haut zu prickeln begann.
    Ich gab Gas. Ich musste Luthers Wahnvorstellungen entkommen, bevor sie meine wurden. Ich fuhr, als sei ich auf der Flucht, und dann knallte das Amphetamin voll rein. Ich bog in Luthers Straße ein — zu schnell —, als die Beifahrertür aufschwang. Luther hatte sich gegen den Griff gelehnt und als wir in die scharfe Kurve gegangen waren, war die Tür aufgesprungen. Er fiel einfach aus dem Wagen. Ich trat auf die Bremsen, kam zum Stehen und stieg aus. Bis auf ein paar Kratzer war Luther unverletzt. »Tut mir echt leid«, sagte ich.
    »Das waren sie«, sagte er und meinte die Phantome, die uns vom Fausto’s aus gefolgt waren. »Sie haben sich an meine Fersen geheftet.« Er sprach es mit solcher Überzeugung aus, dass ich spontan auf die Rückbank sah.
    Er rappelte sich hoch, stieg wieder ein und wir fuhren langsam die Straße hoch zu seinem Haus.
    »Wir sind da«, sagte ich und zog die Handbremse an. »In Sicherheit.«
    »Da. In Sicherheit«, wiederholte er mechanisch.

41
    Luther ging direkt ins Badezimmer, um seine Medikamente zu nehmen. Ich hörte ihn reden, ich hörte ihn flehen. Er sprach mit welchem Phantom auch immer, nur schien dieses Phantom ihm nicht zuhören zu wollen.
    Ich setzte mich neben Gretchen auf das Sofa. Sie hatte gedöst und hob jetzt den Kopf, um zu sehen, wer die Kühnheit besaß, sie bei ihrem Nickerchen zu stören. Als sie sah, dass ich es war, rollte sie sich auf den Rücken und präsentierte mir ihren Bauch. Sie hatte einen üppigen, wohlgenährten Bauch, der gekrault werden wollte. Ich streichelte sie ein paar Minuten lang. Ihr Schnurren klang wie ein Sattelschlepper im Leerlauf. Das Schnurren einer dicken Katze ist beruhigend. Ich kraulte sie, sie schnurrte, dankbar für die Zuwendung nach einem langweiligen Tag.
    Irgendwann kam Luther aus dem Badezimmer. »Ich geh ins Bett«, sagte er. »Ich habe meine Pillen genommen. Wahrscheinlich schlafe ich durch bis morgen Nachmittag. Ich wäre dir dankbar, wenn du etwaigen Auftragsmördern den Zutritt verweigern würdest, okay?«
    Er hatte wieder zu sich gefunden — kein berauschender Zustand, aber immerhin einer, der dem der letzten Stunden eindeutig vorzuziehen war.
    »Keine Geister mehr?«, fragte ich.
    »Nein. Den Geisterjägern der Pharmazie sei Dank.« Er schlich nach oben in sein Schlafzimmer.
    Gefolgt von Gretchen, ging ich in die Küche und machte mir ein Sandwich mit Aufschnitt und Käse. Für Gretchen fielen einige Scheiben Pastrami, etwas Räucherlachs und ein gefülltes Ei ab. Sie war eine betagte, an menschliche Kost gewöhnte Katze, und so war es zu spät, sie auf Diät zu setzen.
    Seitlich am Kühlschrank klebte ein Zettel:
    Luther-Schatz, ich bin einkaufen. Jemand aus New York hat angerufen. Jonathan Traybull oder Craybull von der Yelburton Inc. Er möchte, dass du zurückrufst. Ich glaube, es gibt gute Neuigkeiten, was den Parsifal betrifft. Die Nummer steht auf dem Notizblock neben dem Telefon. — Lelanie.
    Nachdem ich Gretchen noch mit etwas Pastrami erfreut hatte, verließ ich Luthers Haus und fuhr in mein Motel. Nach einer ausgiebigen Dusche ging ich zu Bett und fand auch in den Schlaf, nachdem die Wirkung des Amphetamins abgeklungen war.
    Am nächsten Vormittag rief ich Fernie Peralta an. Er nahm beim ersten Klingelton ab.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte er. »Velmas Anhörung beginnt in zwanzig Minuten. Im Bezirksgericht.«
    »Das ist doch eine reine Formsache, oder?«
    »Mehr oder weniger, aber das alte Mädchen verfügt über eine gehörige Portion Kampfgeist. Das wird kein Durchmarsch, so wie ihr euch das vorstellt, Pilar Mellado und du.«
    »Sie sieht Jungfrauen, Fernie. Sie spricht mit meinem verstorbenen Vater. Sie isst nichts.«
    »Hier sieht jeder Jungfrauen. Wenn das ein Grund sein soll, Leute einzusperren, müssten wir in der Sun Bowl Käfige aufstellen.«
    »Wer ist der Richter?«
    »Henry Carstairs. Er hat

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