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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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her.«
    Als Anwalt für Immobilienrecht war Fernie nicht auf dem neuesten Stand, was gesuchte Kriminelle betraf. Ich erzählte ihm von Carla und Hector. Berichtete von Hamilton Scales und dass Huddy Darko von der Hans-Brinker-Brigade ihm das Genick gebrochen hatte. Ich erzählte auch von den Folterungen an Hector und formulierte meine Vermutung, dass er inzwischen nicht mehr am Leben sei.
    »Das mit Scales ist mir auch zu Ohren gekommen«, sagte Fernie. »Er hatte einen üblen Ruf. Aber wer oder was ist die Hans-Brinker-Brigade?«
    Ich erzählte ihm auch das. Er schüttelte den Kopf, nicht weil er es nicht glaubte, sondern wegen des Wahnsinns, der die Situation an der Grenze mehr und mehr bestimmte.
    Fernie war ein güero, ein hellhäutiger Mexikaner, in dessen Adern — wenn überhaupt — nur wenig indianisches Blut floss. Einige Leute, die einen Rochus auf helle Mexikaner hatten, taten ihn als pocho ab — in ihren Augen hatte er die angloamerikanische Kultur und ihre Werte übernommen und dafür sein Erbe zurückgewiesen. Bei den regionalen Golden Gloves hatte er als Turniersieger im Weltergewicht überzeugt und als Angehöriger der 82. Luftlandedivision die Operation Desert Storm mit durchgezogen; er besaß einen Abschluss in Jura von der University of Southern California, sprach drei Sprachen fließend und zwei weitere mehr als nur leidlich. Dennoch vergaß er nie, woher er stammte. Er war ein Kind aus dem Lower Valley, ein ehemaliger All-League Wide Receiver der Isleta High School Indians und ein wahrer Meister, wenn es um mexikanisch-amerikanische Rechtsfälle ging.
    Umtriebig wie er nun mal war, vertrat er im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit diverse arme Familien aus dem östlichen El Paso County, die von skrupellosen Bauunternehmern über den Tisch gezogen worden waren. Nicht nur hatten etliche dieser Leute ihre mies bezahlten Jobs an Mexiko abtreten müssen, nachdem das Nordamerikanische Freihandelsabkommen seine Wirkung entfaltet hatte, sie und auch die anderen waren zudem von besagten Bauunternehmern überzeugt worden, Teil der »Gemeinschaft der Besitzenden« werden zu können, wenn sie das, was auch immer sie an Wenigem erspart hatten, in billiges, einen halben Hektar großes Bauland in der Wüste investierten. Das nur unzureichend planierte Bauland verfügte weder über eine Wasserhauptleitung noch über Elektrizität oder eine Kanalisation, geschweige denn über ausgebaute Straßen. Diese armen, hart arbeitenden Leute errichteten ihre Bruchbuden auf wertlosem Grund und Boden und bildeten colonias, die in ihrem Elend durchaus vergleichbar waren mit denen auf der anderen Seite der Grenze in den Slums von Juárez. Ihr Trinkwasser schafften sie mit LKWs heran und gekocht wurde auf Kerosinherden. Einige Häuser standen auf dem verseuchten Grund ehemaliger Müllhalden. Fernie zerriss sich für diese Menschen, hatte einige spektakuläre Urteile gegen die Bauunternehmer erwirkt — so man sie hatte aufspüren können — und wurde so zum Helden der Benachteiligten. »Das Einzige, was diese miese Bande von Projektentwicklern jemals entwickelt hat, ist ihre Gier nach dem schnellen Geld«, hatte Fernie einmal nach einer Runde Handball im YMCA zu mir gesagt. »Sie bescheißen die Armen, weil man die Armen am leichtesten bescheißen kann — die Weltgeschichte auf den Punkt gebracht.«
    Fernie schmiss noch eine Lage. Nachdem wir einige Minuten schweigend dagesessen hatten, sagte er: »Das mit deiner Mom tut mir leid. Ich bin überzeugt, Richter Carstairs hätte zu ihren Gunsten entschieden, wenn sie zugesichert hätte, wieder mit dem Essen anzufangen. Sie ist eine muntere ältere Dame und keineswegs närrisch. Es gibt größere Narren, die sich sogar um öffentliche Ämter bewerben.«
    »Danke für deine Hilfe, Fernie«, sagte ich.
    »Ich hab nicht viel gemacht. Deine Belastung ist die größere, compa.«
    »Was meinst du?«, fragte ich, obwohl ich wusste, worauf er anspielte.
    »Du willst nicht, dass sie in dem Glauben stirbt, du hättest sie verraten. Doch das könnte das Zeug zu einem nahezu aussichtslosen Fall haben.«
    Wir leerten unsere Gläser und Fernie bezahlte die Rechnung.
    »Ach übrigens«, sagte er, als wir aufstanden, »die Truppe aus Kalifornien, die Sundown angeheuert hat … die Flitterwochen sind vorüber. Die Kosten explodieren, während die Ergebnisse zu wünschen übrig lassen. Man mietet bevorzugt Luxuskarossen für den Job — Porsche Boxster, BMW, sogar ein Bentley soll darunter gewesen

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