Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

wäre?«
    »Die Waffe, die du zurückgelassen hast. Sie ist auf deinen Namen registriert. Man wird sie zurückverfolgen können.«
    »Sie ist nicht auf mich zugelassen«, sagte ich. »Ich habe diesen alten Smith & Wesson vor zwanzig Jahren auf einer Tauschbörse in Lordsburg gekauft. Ich habe ihn bar bezahlt. Sechzig Dollar, wenn ich mich recht erinnere. Er ist wahrscheinlich auf niemanden zugelassen.«
    Über dreißig Grad Außentemperatur und ich fror. Meine Beine zitterten, das Adrenalin war ungewohnt für meinen Körper. Mein mitgenommener Kiefer schmerzte, weil ich die Zähne zusammenbiss.
    Meine Augen schmerzten. Meine Seele schmerzte oder vielmehr das, was man darunter gemeinhin verstand.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte sich Luther.
    »Bei mir ist seit ’91 nichts mehr in Ordnung.«
    »Dann sollten wir uns betrinken, mein Junge.«
    »Hört sich vernünftig an.«

40
    Luther fuhr mit einem Zappelfuß auf dem Gaspedal. Mal ging er runter auf sechzig, dann beschleunigte er auf hundertzwanzig, blieb dabei, um wenige Augenblicke später die Geschwindigkeit erneut zu drosseln, bis der Monte gerade mal fünfzig fuhr. Auf diese Weise trieb Luther die anderen Autofahrer um uns herum zur Verzweiflung. Es wurde gehupt, Stinkefinger wurden aktiviert und lauthals Flüche ausgestoßen, die wir zum Glück nicht hören konnten. Ich spürte geradezu, wie sich Luthers Gedanken überschlugen, während er die Geschehnisse in Juárez Revue passieren ließ.
    Ich spürte auch, dass er sich gleich darüber auslassen würde.
    »Ich will nichts hören, Luther.«
    »Meine Güte, ich habe doch kein Sterbenswörtchen gesagt!«
    »Du feixt vor dich hin, meinst, es war gut, was ich gemacht habe.«
    »Genau das war es! Etwa nicht? Zweifelst du daran? Hätten sie uns vierteilen sollen?«
    »Ich habe getan, was notwendig war.«
    »Richtig! Also fühl dich entsprechend. Wenn einer es verdient hat, umgelegt zu werden, dann dieser Typ. Genau wie die Schläger in deinem Apartment.«
    »Also sind wir wieder vereint im Kampf? Geht’s darum? Wen legen wir als Nächstes um, Bruder?«
    »Du ziehst mich runter, Mann.«
    »Tut mir leid, Luther. Aber die Last trage diesmal ich, nicht du.«
    »Wie? Wirst du jetzt religiös? Machst du auf Messdiener?«
    »Ganz im Gegenteil, fürchte ich.«
    »Wenn du gestattest, alter Freund, lege ich meinen Standpunkt noch einmal dar. Leute sterben. Das liegt in der Natur der Sache. Es ist bitter, wenn gute Menschen sterben. Überhaupt nicht bitter ist es, wenn Scheißkerle sterben. Behalte diesen Gedanken, J.P. Es ist der einzige, der wirklich zählt.«
    »Okay, aber lass das Feixen.«
    Höhe Sunland Park verließen wir die Interstate, nahmen die Ausfahrt North Mesa und fuhren direkt zum Fausto’s, einer kleinen Spelunke in der Innenstadt.
    Ich genehmigte mir als Erstes drei Tequila und ging anschließend zu Bloody Marys über. Nach der dritten hörte das Zittern auf. Auch mein Atem wurde ruhiger. Entspanntes Durchatmen war wieder möglich.
    Luther beruhigte sich ebenfalls, wenn auch ein wenig zu viel. Stimmungsmäßig fiel er ins Bodenlose. Er wirkte paranoid. Sah ständig in eine dunkle Ecke der Bar. Er sah hinüber, dann schnell wieder weg, um sogleich den nächsten verstohlenen Blick zu riskieren.
    Er sah mich an.
    Angst stand in seinen Augen und seine Unterlippe zitterte. »Wir sollten nach Hause fahren«, sagte er und seine Stimme klang fast wie früher, als wir — gerade mal zwölf — Stunden nach dem Zapfenstreich mitten in der Nacht im Rio Grande Welse gefangen hatten.
    »Was ist los, Luther?«
    »Ich habe Halluzinationen. Ich sollte schnellstens nach Hause fahren und meine Medikamente nehmen. Der Typ, den du erschossen hast, sitzt leibhaftig dort drüben am Tisch und fixiert uns.«
    Luther deutete mit einem schwachen Nicken in die dunkle Ecke. Ich warf einen Blick dorthin. Huddy Darko prostete mir mit seiner Bierflasche zu. Ich sah das Eintrittsloch in seinem Schädel, wo das Geschoss eingedrungen war und sein Hirn durch den Hinterkopf geblasen hatte. Ich sah dunkles Blut auf dem Boden eine Lache bilden. Ich sah seine zuckenden Füße in den Stiefeln, als hätte er vor, sich noch mal aufzubäumen und mich zu attackieren.
    Ich dachte an meinen irakischen Rekruten, der nur halb so groß gewesen war wie die Erscheinung, die sich gerade auf uns zubewegte. Jetzt ist er am Zug, dachte ich. Ich bin bereit. Ich möchte mich entschuldigen, dass ich Sie getötet habe, Sir. Ich biete Ihnen mein Leben als