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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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umliegenden Weilern herbeigeeilten Bauern. Dann und wann, wenn irgendein Fürst vorbeikam, schrie die Menge auf; Freude leuchtete auf allen Gesichtern, und man hörte aus allen Mündern immer nur den Namen Wagner.
    «Ah», sagte Herr Smithson, der die Gruppen in aller Ruhe durch sein Opernglas betrachtete, «dort kommt Seine Hoheit.»
    Unten am Hang erschien der prachtvolle Landauer des Herzogs, dem vier Falben mit geflochtenem Schweif vorgespannt waren und der sich mit Grandezza vorwärtsbewegte. Da sich die Wagenlawine bereits auszudünnen begann, rollte der Landauer, ein einziges Funkeln von Firnis, Satin, Kupfer und Wappenschilden, gerade ganz allein mitten auf der Straße nach oben.
    «Er hat sich ziemlich verändert», sagte Herr von Cramm, die Augen wie festgeklebt am Opernglas.
    Und als wolle er, obwohl er genauso alt war wie der Herzog, sich seiner selbst versichern, begann er mit gezwungenem Lachen und mitleidigem Gesichtsausdruck sogleich, Überlegungen hinsichtlich der Erschöpfung anzustellen, die die vielen Reisen bei Karl von Este seit seinem Weggang aus Paris hervorgerufen hatten, und zählte diese an den Fingern ab: zuerst Neapel, von wo ihn die fürchterlichen Dämpfe des Vesuv vertrieben hatten; Rom, wo er dem schönsten Ausblick der Welt überdrüssig geworden war, den Gärten der Villa Madama 163 , den Vororten, den sich durch Wiesen und Felder schlängelnden Tiber und am Horizont den schneebedeckten Bergspitzen des Apennin; dann Den Haag, wo Seine entzückte Hoheit gedachte, sich ernsthaft und für immer niederzulassen. Die Häuser dort sind in der Tat schön, und da man ihre Klinkerfassaden recht häufig streicht, scheinen sie immer wie neu. Sperrketten schützen die Gehsteige vor dem Verkehr, Straßen und Chausseen sind so sauber, dass die auf ihnen entlangrollenden Kutschen nicht den geringsten Staub aufwirbeln, und hinter blitzenden Fensterscheiben beobachten Frauen die Passanten oder gießen ihre Tulpentöpfe. Aber schon bald hatte seine plötzlich schwer angeschlagene Gesundheit den Herzog gezwungen, das Land der Kanäle und Marschen zu verlassen; und nun lebte er in Genf, wo er von einem Hotel zum nächsten wechselte, unruhig, krank und unzufrieden.
    «Und Otto?», fragte der Baron zum Ohr Herrn Smithsons hinabgebeugt.
    «Immer das Gleiche», sagte der Amerikaner, «die Verrücktheit wird anfallartig schlimmer und wendet sich dann in Wahnsinn. Die Barmherzigen Brüder, bei denen er seit einem Jahr untergebracht ist, haben die Hoffnung auf Heilung aufgegeben.»
    «Ja!», sagte Herr von Cramm im Brustton der Überzeugung. «Es wäre besser gewesen, wenn seine Verletzung tödlich verlaufen wäre.»
    In diesem Augenblick erschienen Musiker auf einem Balkon des Festspielhauses und bliesen eine Trompetenfanfare nach einem Thema aus der «Götterdämmerung». Es war das Signal für den bevorstehenden Beginn der Oper. Die in der Säulenhalle 164 zusammengedrängten Grüppchen zerstreuten sich, und auch Herr von Cramm verabschiedete sich hastig von Smithson, ängstlich darauf bedacht, eine Begegnung mit dem Herzog zu vermeiden, dessen Landauer soeben eintraf.
    Die Pferde hielten vor der Freitreppe, wo die wenigen verbliebenen Zuschauer beiseitetraten. Der Herzog saß mit gesenktem Kopf im Fond seines Wagens, einen stumpfsinnigen Ausdruck im bläulich verfärbten Gesicht, und schien nicht bemerkt zu haben, dass er angekommen war. Herr Smithson musste ihn am Arm berühren. Er wandte ihm langsam den Blick zu, dann sagte er mit belegter Stimme: «Ach! Sie sind hier, Smithson. Giovan wollte mich nicht begleiten; angeblich langweilt ihn dies hier.»
    Mit diesen Worten erhob sich der arme Herzog mühevoll auf zitternden Beinen und stieg unter großer Anstrengung mit Hilfe zweier Diener den Kutschentritt hinab; und tief über einen Stock gebeugt und mit dem anderen Arm auf den Amerikaner gestützt, setzte er sich unter der Säulenhalle in Bewegung.
    Ein Raunen ging durch den Saal, als Karl von Este erschien, und verstärkte sich zu einer Art erstickten Stimmgewirr, als er sich an Herrn Smithsons Arm anschickte, die zu seinem Sessel führenden Stufen zu erklimmen. Tatsächlich war er mittlerweile so maßlos dick, dass er sich kaum bewegen konnte, und durch die Gicht zudem mit geschwollenen, gekrümmten Händen und steifen Füßen geplagt, die nur noch Samtschuhe ertrugen. Als er sich einmal überanstrengt hatte, hatte er sich einen Nabelbruch zugezogen, sodass dieser nun mit einer Art Bauchbinde aus Silber

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