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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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Tasche zog.
    Eine zweite Kugel flog drei Finger breit über seinen Kopf, als er sich rasch hinter seinen Sessel duckte. Er schoss. Otto drehte sich, fiel und blieb wie tot unter der Tür zu dem dunklen Gang liegen.
    «Giovan!», schrie der Herzog. «Da, nimm meinen Revolver, strecke diese Verbrecherin für mich nieder!»
    «Oh nein!», sagte Giulia. «Ich werde allein zu sterben wissen …» Und mit gellendem Lachen fügte sie hinzu: «Was für ein alter Narr, ein alter Narr, wie konnte er denn auch nur einen Augenblick annehmen, dass ich ihn liebte! Ich habe immer nur Otto geliebt, hörst du …? Otto …! Er hat dich verabscheut, alle verabscheuen dich, ich, dein Sohn, dein Bruder, deine Diener, alle … alle … alle!» Und als wäre sie dem Wahnsinn verfallen, begann sie Schreie auszustoßen: «Mörder! Mörder! Mörder! … Auf den Mörder!»
    «Hören Sie auf zu schreien», sagte Karl von Este, «oder ich töte Sie!»
    «Nur zu», erwiderte sie, «ich werde zu sterben wissen.» Sie kniete sich neben den Körper ihres Geliebten, küsste ihn auf die Lippen und drückte ihn gegen ihren Busen; dann bemerkte sie, dass ihr Kleid ein wenig verrutscht war und brachte es wieder in Ordnung. «Adieu», sagte sie, «Monseigneur, ich war dieser Welt recht überdrüssig; speist in Frieden, wenn ich tot bin …» Mit einer Hand auf den Boden gestützt, setzte sie den todbringenden Flakon an die Lippen, dann kippte sie schlagartig um.
    Im selben Augenblick schien ein so gleißender Blitz, dass er wie ein langer Pfeil durch die Läden drang, die Kuppel unter dem fürchterlichen, auf ihn folgenden Donner zum Bersten zu bringen. Der Blitz war in einen der acht Blitzableiter eingeschlagen, die das Dach des Palais Beaujon zierten.
    «Wir verlassen Paris noch heute Abend», sagte der Herzog zu Arcangeli, der plötzlich von irgendwoher aufgetaucht war …
    Und dann stand Karl von Este vor Ottos Leib. «Vatermörder! Meuchler!», schrie der Herzog bei seinem Anblick; dann erstarb plötzlich seine Stimme, und er stammelte mit einem langen Schluchzer: «Mein Sohn … mein Sohn … er hat mich also nicht geliebt!»

X
    Unvergessen sind die Mitte August 1876 in Bayreuth gegebenen großartigen und wahrlich außergewöhnlichen Aufführungen der überwältigenden Opern, die die Tetralogie «Der Ring des Nibelungen» bilden. Man spielte am vierzehnten «Rheingold», an den darauffolgenden Tagen «Die Walküre» und «Siegfried» und schließlich, am siebzehnten August, zum ersten Mal jene Oper, die das gewaltige Musikdrama beschließt: «Götterdämmerung».
    Am Nachmittag dieses Tages gegen vier Uhr ging Herr Smithson in Begleitung von Herrn von Cramm, den er gerade dort getroffen hatte, vor dem Festspielhaus auf und ab. Seit drei Jahren gehörte dieser üble Kriecher nicht mehr zur Entourage von Karl von Este und lebte in Blankenburg; deshalb erbat er nach dem ersten Austausch von Höflichkeiten auch Neuigkeiten über Seine Hoheit, Graf von Oels, Herrn d’Andonville, der in die Normandie zurückgekehrt war, und sogar über einige ehemalige Domestiken; Smithson antwortete nach und nach.
    «Und die gute Augusta?», fragte der Baron weiter.
    «In Rom gestorben», sagte der Amerikaner und erläuterte, der Zustand der armen Dame habe sich nach der Flucht ihres Sohnes aufs Traurigste verschlechtert, am Ende sei sie gelähmt und von weiteren Leiden befallen gewesen, sodass der Tod für sie schließlich eine Erlösung bedeutet habe.
    «Ach!», sagte Herr von Cramm. «Und Graf Franz?»
    «Man vermutet, dass er mit seiner Frau zurückgezogen in irgendeiner Ecke Böhmens lebt», antwortete Smithson. «Ich glaube, Graf Nostitz hat ihn als Verwalter, als Aufseher eines ausgedehnten Besitzes aufgenommen.»
    «Und der Signor Arcangeli?», fragte Herr von Cramm, wobei er die Stimme senkte.
    «Ach! Sprechen Sie mir nicht von dem …!», erwiderte der Amerikaner.
    Und nachdem sie ein Weilchen schweigend umhergeschlendert waren, blieben sie stehen, um das überaus lebhafte Spektakel zu betrachten, das sich ihnen bot. Das Bayreuther Festspielhaus ist nämlich auf einer abgelegenen, nicht sehr ausgedehnten Anhöhe erbaut, die die ganze Stadt und das Umland überragt und zu der man über einen leicht ansteigenden Weg gelangt. Der Himmel war strahlend blau, und eine Vielzahl von Wagen – Fiaker, alte Berlinen, Prunkkutschen mit gepuderten Lakaien – zog im langsamsten Schritt diesen Hang herauf, auf beiden Seiten flankiert von Schaulustigen und aus den

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