Götterdämmerung
Poseidon mit einem forschenden Blick. Poseidon erwiderte den Blick mit einem aufmunternden Lächeln. Fehlte nur noch, dass er die Hand hob und winkte.
Zeus seufzte. Ares und Poseidon waren eine ganz gute Hilfe, wenn es darum ging, Dinge zu verwüsten oder Leute möglichst zügig in Hades’ Arme zu schicken. Für die anstehende Feinarbeit waren sie also ungefähr so geeignet wie eine Sense zum Nägelschneiden.
«Danke, Artemis», seufzte Athene. «Auch wenn es nichts genützt hat.»
«Lass den Kopf nicht hängen, Athene», erwiderte die Jagdgöttin tröstend und ließ ihren Bogen sinken, den sie auf Haarrisse untersucht hatte. «Abstimmungen sind nicht der Weisheit letzter Schluss und erst recht nichts, woran man sich halten muss.»
Athene nickte und betrachtete nachdenklich den sanften Hang zu ihren Füßen. Sie und Artemis saßen im Schatten einer Platane vor den Toren der Wohnanlage, nicht weit entfernt von einigen laut wiehernd herumtollenden Kentauren und Ziegengott Pan, der Apollon gerade seine neueste Komposition vorspielte. Mit gerunzelter Stirn ließ sich Athene gegen den Stamm der Platane zurücksinken. Was sollte sie tun?
Apollon setzte sich neben sie.
«Wollt ihr Pans neues Stück hören?»
«Nein», sagte Athene. «Wie kannst du jetzt an Musik denken, Apollon? Wir müssen etwas unternehmen.»
Apollon lehnte die Lyra behutsam gegen den Platanenstamm. Er zuckte ratlos die Achseln. «Was willst du denn tun? Zeus müsste schon seinen Befehl zurücknehmen, und ich weiß wirklich nicht, wie du ihn dazu bewegen willst.»
Athene schüttelte den Kopf. «Nein, das weiß ich auch nicht. Wir müssen einen anderen Weg finden …»
«Was ist denn eigentlich passiert?», fragte Artemis. «Ich meine, welche Auswirkungen hat Zeus’ Befehl für die Sterblichen?»
Athene wandte sich an die Göttin der Jagd. «Er hat die Zeit durcheinandergebracht, Artemis.»
«Na und? Ist das schlimm?»
«Schlimm? Schlimm ist geprahlt. Stell dir doch nur mal vor, was jetzt alles passieren kann …»
«Lieber nicht», sagte Apollon und ergriff seine Lyra. «Passt auf, Kinder, ich spiele euch mal eben Pans neues Stück vor …»
7
Ngh starrte durch die riesige Fensterscheibe der Düsseldorfer
Boutique Mimi
und machte große Augen. Er stieß Gnh seinen behaarten Unterarm in die sehnige Seite.
«Gnh! Hnk Hnk!», grunzte er und meinte: «Gnh! Hihi!»
«Hnk Hnk!», machte Gnh und grunzte belustigt.
Einige Passanten hörten auf, sich über den kurzen Blitz zu wundern, und betrachteten die beiden in Felle gehüllten Fälle für einen erstklassigen Orthopäden. Dann schüttelten sie fassungslos die Köpfe über die Unfähigkeit der Stadtverwaltung, die Straßen von solchem menschlichen Unrat zu befreien, und flanierten weiter. Gnh und Ngh waren dermaßen fasziniert von den hauchzarten Auslagen, dass sie nicht mal auf die Idee kamen, sich umzudrehen.
«Hunnnk!», machte Ngh plötzlich und tippte mit dem Zeigefinger gegen das Doppelglas.
Nadja Keilmann sah von ihren Fingernägeln auf und bemerkte einen kleinen, gebückten, unrasierten Mann, der mit dem Finger auf sie deutete. Neben ihm stand ein weiterer kleiner Mann, dem die Augen aus dem Kopf traten. Bis auf die dicken Keulen und die Tierfelle sahen beide aus wie Javier Bardem. Fand Nadja Keilmann und presste die Knie zusammen. Sie lächelte unsicher und schob die Modezeitschriften in eine Schublade.
Ngh donnerte mit dem Kopf gegen die Scheibe. «Mooaaaah!», sagte er.
Gnh, schon immer der etwas hellere der beiden Brüder aus dem räumlich nahe gelegenen Neandertal, zupfte am Fell seines Bruders und zeigte auf den Eingang der Höhle, in der das Frauending hockte. Ngh ließ seinen Schädel los und folgte Gnh, der es nach wenigen Versuchen sogar schaffte, die Tür aufzudrücken. Eine teure Glocke hauchte einen arroganten Willkommensgruß in die Luft, und Ngh hob erschrocken die Keule.
Endlich mal ein Kerl
, dachte Nadja Keilmann und glitt von der pinkledernen Sitzfläche ihres hohen Hockers.
Nicht wieder einer von diesen abgeleckten Schleimscheißern, die ihren frustriert vor sich bin masturbierenden Freundinnen einen Reizdress für die schönen Stunden allein kaufen.
Sie setzte ein Lächeln auf, das ihrem üblichen Verkäuferinnengrinsen nur äußerlich ähnelte, und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
«Guten Tag», säuselte sie und legte den Kopf schief. «Kann ich Ihnen helfen?»
«Hongh matta matta fonngn, hn?», sagte Ngh zu Gnh. Was so viel bedeutete
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