Götterdämmerung
miese kleine Ratte Hades nur auf eine gute Gelegenheit warten, dich zu stürzen … Ach was, wieso dich?
Mich
zu stürzen. Um Amphitrite, diese Wasserschnecke, auf den Thron zu heben. Oder dieses Flittchen Persephone. Und wenn du mir das antust, Zeus, dann … dann fliegst du raus. Dann sind wir geschiedene Leute. So wahr mir Kronos helfe!»
«Hera …»
«Ja, Zeus?» Hera verschränkte die Arme vor der Brust und zog neugierig die Augenbrauen hoch. «Du möchtest etwas sagen?» Sie setzte ein Lächeln auf, das schlimmer war als jedes Keifen. Zeus rappelte sich auf und rang beidhändig nach Worten.
«Ich … hör mal, so schlecht ist die Idee doch gar nicht.»
«Schlecht? Oh,
nein
. Nein, die Idee ist nicht schlecht. Sie ist
krank
. Du bist krank, Zeus. Du stehst nicht über den Dingen, du stehst mittendrin. Du bist … neidisch. Du
schmollst
, weil dich niemand mehr preist. Weißt du eigentlich, was das ist? Weißt du das? Das ist
menschlich
!»
Der Göttervater richtete sich zu voller Größe auf. Das genügte. Was zu viel war, war zu viel. Er ließ sich alles Mögliche nachsagen, aber ganz bestimmt keine menschlichen Züge.
«Schluss jetzt, Weib», brüllte er. «
Ich
bin der Vater der Götter.
Ich
bin der Herr der Dinge, der mächtigste Gott von allen. Du drohst mir nicht.» Sein Zeigefinger erhob sich drohend in die dicke Luft. «Ich, Zeus, habe
beschlossen
, dem Krabbelkram eine Lektion zu erteilen, und ich
werde
dem Krabbelkram eine Lektion erteilen. Und …»
Wenn dir das nicht passt, kannst du deine Sachen packen und zurück zu unserer Mutter ziehen
, wollte er fortfahren, kam jedoch nicht mehr dazu.
Jemand klopfte an die Tür.
Zeus fuhr herum und brüllte «Herein». Poseidon trat ein.
«Äh … Störe ich vielleicht gerade?»
«Nein», sagte Zeus.
«Ja», sagte Hera.
Poseidon nickte und kam näher. Hera ließ sich wütend auf eine der Liegen zurücksinken und dachte darüber nach, wie es dem blöden Algenfresser wohl gefiele, mit angesägten Wagenrädern durch die Gegend zu rasen. Der Gott des Meeres blieb vor seinem Bruder stehen und legte ihm feierlich eine nasse Pranke auf die Schulter.
«Bruder», spuckte er, «wir haben abgewählt.»
«Ihr habt was?»
«Abgewählt.»
«Abgestimmt.»
«Wie? Ach ja. Genau.»
Zeus seufzte. «Und?»
«Was, und?»
«Worüber habt ihr abgestimmt? Und mit welchem Ergebnis?»
«Äh.» Poseidon fand kurz und feucht zu altem Pathos zurück. «Ob wir dich unterstützen, Bruder. Machen wir. Vier zu drei. Einfache Mehrheit.»
Zeus dachte darüber nach. Der Rat hatte zwölf Mitglieder, er und Hera hatten nicht an der Abstimmung teilgenommen.
«Vier zu drei? Aber ihr wart doch zehn.»
«Stimmt. Fünf haben sich enthalten.»
«Fünf?»
«Wie? Ja. Zehn minus sieben. Warte mal. Vier. Vier Enthaltungen.»
«Drei.»
«Drei?» Poseidon begann, an den Fingern abzuzählen. Zeus fragte sich, ob es im Kopf seines Bruders eigentlich irgendwelche Gene gab, die nicht hoffnungslos verknäult waren. Er unterbrach das Abzählen.
«Wer hat gegen mich gestimmt, Poseidon?»
«Äh. Die Bescheuerten. Athene, Apollon und Artemis.»
«Aha.» Zeus nickte grimmig. Das würde ihnen noch leidtun. «Weiter. Wer hat für mich gestimmt? Du?»
Poseidon nickte. «Wer? Ach so, ich. Ich, ja. Und Ares. Und Hestia und … äh. Demeter, glaube ich.»
Zeus überlegte. Dann hatten sich also Hephaistos, Hermes und Aphrodite enthalten. Und natürlich Hera, die ja damit beschäftigt gewesen war, ihn zusammenzustauchen. Das bedeutete aber immerhin, dass er die Zustimmung der Runde hatte, und in einer gesunden Demokratie hätte Zeus sich jetzt darauf verlassen können, dass die Minderheit bis zur nächsten Abstimmung nichts unternahm. In einer gesunden Demokratie hätte er von diesem Tage an alles veranstalten können, was ihm Spaß machte. Steuergelder veruntreuen, Atomkraftwerke an- oder abschalten, die Preise für Flugbenzin senken und auch im Übrigen genau das Gegenteil von dem tun, was er vor der Abstimmung versprochen hatte. Aber Zeus wusste, dass er es nicht mit einer gesunden Demokratie zu tun hatte. Er war umgeben von griechischen Göttern. Intriganten. Lügnern, mit denen verglichen Kaufleute und Diebe so unschuldig waren wie neugeborene Lämmer. Zeus wusste, dass er sie im Auge behalten musste. Nicht nur die Abtrünnigen, nicht nur Athene, Apollon und dessen Schwester Artemis, nein, auch diejenigen, die sich enthalten hatten – und seine eigenen Leute.
Er bedachte
Weitere Kostenlose Bücher