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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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einstellen. Um es offiziell zu formulieren, Sie sind gefeuert. Sie stehen nicht mehr auf unserer Gehaltsliste.»
    «Aha», sagte Cameron. Er betrachtete seine manikürten Fingernägel und stützte sich mit beiden Ellenbogen auf die Schreibtischplatte. «Beabsichtigt Ihr Boss, auf seine alten Tage eine Reportage über Eisengardinen zu schreiben?»
    «Nein, das beabsichtigt er nicht. Wie Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit bisher offenbar entgangen ist, besteht für Mr. Nastings kein Anlass mehr, sich von Ihnen erpressen zu lassen.»
    «Was für ein hässliches Wort, Futterman.»
    «Für eine hässliche Angelegenheit, Cameron. Jedenfalls bekommen Sie keinen Cent mehr.»
    «Dann richten Sie Ihrem Alleinversorger doch bitte aus, dass ich meine Unterlagen an die Presse und die Staatsanwaltschaft weitergebe.»
    «Sie haben keine Unterlagen.» Futterman klang unanständig selbstsicher. «Bei einem Blick in die Zeitungen vom Tag nach dem … Unfall werden Sie feststellen, dass Mr. Link nicht auf der
Scarletta
war. Wie es nach unseren bisherigen Ermittlungen aussieht, hat es in Hollywood nie einen Mr. Dave Link gegeben. Sie werden des Weiteren feststellen, dass Mr. Chaplin am fraglichen Tag von einem Unbekannten angeschossen wurde, aber für diese Information brauchen wir keinen Berater. Sonst noch Fragen?»
    «Ja. Wie wird man mit Ihrer Phantasie Sekretär?»
    «Immer noch komisch?»
    «Wusste nicht, dass Sie was davon verstehen.»
    «Sehen Sie sich vor, Schnüffler», sagte Futterman. Cameron spürte sein drohendes Lächeln. «Es sind schon Schlauere als Sie aus dem Hafenbecken gezogen worden.»
    «Hören Sie auf, Futterman, sonst muss ich meine Hose in die Reinigung bringen …»
    «Bis dann, Cameron.»
    Es knackte in der Leitung. Der eleganteste, cleverste Detektiv von L.A. saß reglos da und starrte den Telefonhörer in seiner Hand an, als hätte er noch nie einen gesehen. Was war eigentlich los? Was passierte mit ihm? Weshalb wachte er nicht auf? Er erhob sich, knallte den Hörer auf die Gabel und schloss die Tür zu seinem Privatzimmer auf. Er ging zügig zum Wandsafe, in dem er Kopien seiner Unterlagen und Fotos aufbewahrte. Er öffnete die Safetür, nahm den großen braunen Umschlag heraus und griff hinein.
    Nichts.
    Er spähte in den Umschlag.
    Nichts. Gähnende Leere. Keine Fotos. Keine Zeitungsausschnitte, keine Protokolle, nur eine große Portion wertlose Luft. Für einen Augenblick glaubte er, jemand müsse ihm das ganze Zeug geklaut haben, während er sich im Rathaus mit Gregory unterhalten hatte. Aber dann hätte Cindy mit den Dieben unter einer Decke stecken müssen. Und sie hätte sein Privatzimmer aufbrechen müssen. Und den Safe.
    Unmöglich.
    Cameron legte den Umschlag zurück in den Safe und zog einen zweiten heraus. Die Fotos von Midlands blonder Frau. Alles da. Nichts fehlte. Er schloss die Safetür behutsam wieder und ging zurück in sein Büro. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, blieb er vor dem Schreibtisch stehen. Es gab eine simple Erklärung. Eine Erklärung für alles. Für die Hunnen, die Siedler, den nie da gewesenen Dave Link, die Mönche, die sich irgendwo geißelten, für alles. Aber wenn er diese ebenso einfache wie unglaubliche Science-Fiction-Erklärung akzeptierte, konnte er sein Gehirn eigentlich auch gleich der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen. Es musste noch eine andere Lösung geben, eine weniger naheliegende, aber dafür realistischere Erklärung für diesen Irrsinn.
    Cameron setzte sich wieder, brachte seine männliche Intuition barsch zum Schweigen und schaltete seinen Verstand ein. Frage: Welche Folgen hatte dieses Chaos? Antwort: Anarchie. Instabilität. Zusammenbruch des geregelten Lebens. So weit, so gut. Nächste Frage: Wem nützte das? Wer konnte ein Interesse daran haben, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika in ein gigantisches Irrenhaus verwandelten? Wer? Cameron schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
    Die Krauts. Natürlich. Die Nazis.
    Während er sich gegen die Stuhllehne zurücksinken ließ und seine Unterlippe mit den Zähnen malträtierte, fragte er sich fassungslos, weshalb er nicht gleich an die braunen Stechschreiter gedacht hatte. Das lag doch auf der Hand. Na schön. Damit war die Frage «Wer?» beantwortet. Weiter. Wie hatten sie es angestellt? Sie mussten Unmengen von Agenten eingeschleust haben. Cameron nickte. Genau. Eine Riesenverschwörung. Sie hatten Tausende von Leuten bestochen, die plötzlich meldeten,

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