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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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für einen langen Augenblick an. Dann machte sich Doc auf den Rückweg zum Schreibtisch. Er kicherte albern, ließ sich kopfschüttelnd auf den Drehstuhl fallen, legte seine Ellenbogen auf der Tischplatte ab und verschränkte die Hände.
    «Sie wollten meine Meinung hören, Cameron. Und ich sage Ihnen, was ich denke. Wenn echte Hunnen freundlicherweise die heutige Menschheit dezimieren und Bücher plötzlich so mir nichts, dir nichts aus der Welt verschwinden, ist das – gelinde gesagt – ziemlich ungewöhnlich. Und um ungewöhnliche Dinge zu erklären, muss man zu ungewöhnlichen Ansätzen greifen. Das habe ich getan.» Er öffnete eine längliche silberne Schatulle und entnahm ihr eine karottendicke Zigarre. «Möchten Sie?»
    «Danke, nein.»
    Doc brachte die Zigarre mit einem verzierten Tischfeuerzeug zum Qualmen. Blaue Schwaden wogten wie melancholische Tänzer auf die Schreibtischlampe zu.
    «Aber letztlich», sagte er, «spielt es ja auch keine Rolle.»
    «Was spielt keine Rolle?»
    «Ob Sie sich meiner Auffassung anschließen oder nicht. Falls ich recht habe, können Sie nur abwarten. Ich meine, Sie können natürlich auf eine Landkarte tippen und dann nach Mekka, Griechenland oder Peru aufbrechen und dort ’ne Runde beten, aber nützen wird Ihnen das bestimmt nichts.»
    Cameron nickte. «Mal ganz davon abgesehen, dass ich Ihren Vorschlag für ausgemachten Schwachsinn halte.»
    «Ihre Sache. So oder so: Sie werden nicht verhindern können, dass ein paar hundert Millionen von diesen nichtsnutzigen, verlogenen Kreaturen den Löffel abgeben.» Er kicherte, verschluckte sich kurz an dem kubanischen Rauch und lachte nach einigem Husten und Keuchen umso lauter weiter. «Herrlich.»
    Cameron fuhr sich mit der Hand über den Nacken, stand auf und wanderte langsam zu den Bücherregalen. Er blieb vor einem der schmutzigen Fenster stehen und sah hinaus in die trostlose, feuchte Inselöde. Ein dunkelblauer Duesenberg J Beverly parkte unter der im Wind schwingenden Straßenlaterne. Kein Wagen, den man besonders oft zu Gesicht bekam, nicht mal drüben in L.A. Cameron runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Er drehte sich zu Doc um und bemerkte die Schatten, die über die zweite Fensterscheibe flossen, direkt hinter dem noch immer leise lachenden Glatzkopf. Einem der Schatten wuchs eine lange, unförmige Hand. Cameron hörte sich «Runter!», brüllen und hechtete zwischen die Labortische. Im Fallen sah er, dass Doc sich entsetzlich langsam umdrehte und unter den Schreibtisch zu flüchten versuchte.
    Eine Maschinenpistolengarbe zerriss die Scheibe, zerfetzte den Rücken des Drehstuhls und mähte die Bücher aus den Regalen und die Reagenzgläser von den Tischen. Cameron presste sich flach auf den Holzboden, um die von den Tischen schwappende Soße nicht ins Gesicht zu bekommen. Er konnte nicht erkennen, ob Doc noch lebte, aber er hatte auch keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Als er wieder aufsah, kletterten drei Männer durch die gläsernen Zähne des Fensterrahmens. Zwei Kleiderschränke und ein Wiesel. Alle drei trugen dunkle Mäntel und Hüte und reizende Accessoires in den Händen. Cameron nestelte seine Luger heraus und geriet mit dem Ellenbogen gegen eines der Tischbeine. Eine Batterie bisher unversehrter Reagenzgläser stürzte mit lautem Klirren in die kordithaltige Stille. Die Männer fuhren herum und richteten ihre Mitbringsel unter den Tisch. Cameron starrte in die unnachgiebigen Augen der Waffen und rührte sich nicht.
    «Die Flossen aus der Tasche», kläffte der Kleinste der drei und wedelte nachdrücklich mit seiner Kanone. Cameron seufzte und leistete der Aufforderung Folge. Die beiden Kleiderschränke kamen um die Tische herum und nahmen ihm die Luger ab. Dann stellten sie den chemisch verunreinigten Detektiv unsanft auf die Füße und trugen ihn bis zu ihrem Boss.
    «Ich kann allein gehen», sagte Cameron.
    Die beiden ließen ihn los. Er versuchte kurz, seinen feuchten Mantel in Ordnung zu bringen, und gab es gleich wieder auf. Er sah das Wiesel an. Ein schmales, dunkles Gesicht, in dem teure Zähne glänzten. Das Wiesel verzog seine schmalen Lippen zu einem kleinen O und kratzte sich mit dem Zeigefinger am Mundwinkel.
    «Tja, Amigo», sagte es mit einer Stimme wie dünnes Metall, «sieht fast so aus, als solltest du dich jetzt endgültig zur Ruhe setzen.»
    «Ich hab nichts gegen einstudierte Sätze, Kleiner, aber sag mir erst mal, was das hier werden soll, wenn’s fertig

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