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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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hundert Euro kriegen. Und Krankenschwestern gibt’s auch nicht. Weil die kein Geld kriegen von uns, dafür, dass sie uns die ganzen Kaputten abnehmen, die nicht mehr bei uns mitrennen und machen und tun können. Dafür zahlen wir aber nix, wir zahlen lieber den Dings was, den Politikern und den Banken und den Heuschrecken und den Versicherern und denen vonner Reklame und diesen ganzen Leuten, die nichts tun und nichts können und nichts wissen, außer, dass man Häuser haben muss und Autos und schlaue Telefone und diese Öfen. Die machen sich nich die Hände schmutzig und ham nichts zu tun mit denen, denen’s dreckich geht, deshalb sind die ja auch dagegen, dass die Krankenschwestern mehr Geld kriegen, damit die Schwachen und Kranken und Traurigen nich in ihrem eigenen Saft liegen und abkratzen müssen. Fümftausend Euro müssten die im Monat kriegen, solche Leute. Und die Politiker drei, aber höchstens. Ach, Herr Weinberger, ich weiß ja nich, was los iss, ich bin ja nur ’n alter Mann, und ich sach ja auch gar nichts, nie, nich, Pit? Aber wenn Sie mich fragen, ham wir’s nich anders verdient. Tschuldign Sie», murmelte er abschließend verlegen, «ich sollte nich so viel reden, aber vielleicht isses gut, dasses vorbei iss, man könnte wirklich kotzen.» Sprach’s, biss in seine Heißwecke und senkte stumm den Kopf, um die beiden Hunde zu streicheln.
    Erasmus hatte der runden Bäckerin anschließend zwei Pfund Kaffee und ein Brot abgekauft, Baal zu sich gerufen, und war mit einem letzten Blick auf den traurig dasitzenden Max gegangen, hinaus, zu seinem Wagen, war eingestiegen und hatte sich wieder auf den Heimweg gemacht. Er hätte dem atemlosen Vortrag beim besten Willen keinen tröstenden Satz hinzufügen können.
     
    Diana ließ ihren schlanken Mittelfinger auf dem Touchpad des BKA -Rechners liegen und rollte Informationsmengen über den bunten Computerbildschirm. Erasmus wanderte schon seit einer guten Stunde zwischen Sofa und Fenster hin und her, warf dem Fernseher gelegentlich einen nachdenklichen Blick zu und murmelte unverständliches Zeug in sich hinein. Manchmal blieb er abrupt stehen, spannte seine Stimmbänder zu einem «Heureka», schluckte es dann jedoch jedes Mal wieder herunter und setzte seine Wanderung unverrichteter Schreie fort. Um ihn herum wuchsen und schrumpften die Bücherstapel, als sei ein ganzes Rudel sehr eifriger Kobolde im Begriff, seine Meisterprüfung abzulegen.
    «Erasmus?»
    «Äpfel, Herrgott noch mal», murmelte Erasmus und machte auf dem Absatz kehrt, «das kann ja Gott weiß was bedeuten. Gibt doch nichts Beliebigeres als Äpfel. Kann praktisch ein Hinweis auf alles und jeden sein …»
    «Erasmus?»
    «Ja?» Er blieb stehen und sah auf.
    «Interessiert’s dich, was der Rechner sagt?»
    «Kann er mehr sagen, als du ihm eingibst?»
    «Er kann Daten sortieren.»
    Erasmus kam misstrauisch näher und blieb neben Diana stehen. Sie deutete stolz auf den Bildschirm. «Also, sieh mal. Erstens nehmen die Vorfälle zu. Das ist die blaue Kurve. Zweitens verändert sich das Verhältnis Blitze-Äpfel. Zuerst waren es nur Blitze, mittlerweile ist das Verhältnis ungefähr sechzig zu vierzig. Das sind die gelbe und die grüne Kurve. Ein System scheint das Ganze nicht – oder wenigstens nicht mehr – zu haben, und lokale Zentren gibt es offenbar auch nicht, weder zeitgeschichtlich noch geographisch.» Fingertippend wechselte Diana die Graphik. Fünf unpassend ordentliche Türme erschienen auf dem Bildschirm.
    «Und was ist das?», fragte Erasmus skeptisch.
    «Erklärungen», sagte Diana. «Siebzehn Prozent der bisher befragten Experten gehen davon aus, dass wir es mit extremen Luftspiegelungen zu tun haben. Vierzehn Prozent meinen, es handle sich um eine Luftverunreinigung durch Halluzinogene, die quasi einen kollektiven Rauschzustand zur Folge hat, zwölf Prozent glauben an eine Zeitzentrifuge, die aus der Zukunft gelenkt wird, und acht Prozent glauben an Ufos. Der Rest weigert sich beharrlich, einen Kommentar abzugeben.»
    «Und Götter?»
    «Wie, und Götter?»
    «Na, ist denn noch keiner von denen auf die Idee gekommen, dass göttliche Macht hinter diesem Chaos stecken könnte?» Erasmus deutete vorwurfsvoll auf die farbigen Türmchen. «Ist doch nicht weiter hergeholt als das, was die da sagen. Ich für meinen Teil glaube jedenfalls auch an Dinge, die ich nicht sehe. Dafür kann ich andere Dinge, die ich sehe, kaum glauben …»
    Mit sanftem Fingerdruck zauberte Diana die

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