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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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ist.»
    «Deine Beerdigung, fürchte ich.»
    «Und wer hat den Sarg bestellt?»
    Zum Lächeln benötigte der kleine Mann nicht viele Gesichtsmuskeln. «Das weißt du doch genau, Amigo.»
    «Bedaure, nein.» Cameron sah sich suchend nach seinem Hut um. «Aber eigentlich will ich’s auch gar nicht wissen. Alte Rechnungen interessieren mich momentan nicht besonders.»
    «Andere Leute schon.»
    «Andere Leute sollten warten können. Wir haben im Moment größere Sorgen, wenn ihr mich fragt.»
    «Tun wir nicht.» Weiße Zahnspitzen funkelten Cameron an. «Möchtest du sonst noch irgendwas loswerden, Schnüffler?»
    «Nein. War nett, euch getroffen zu haben.»
    Cameron schlug gleichzeitig nach beiden Seiten aus und erwischte die Kleiderschränke tatsächlich dort, wo er sie hatte treffen wollen. Beide schrien auf und hielten sich die Nasen. Cameron machte einen Satz auf das Wiesel zu und erwischte es am Kragen. Jemand hielt seinen Fuß fest. Er trat aus, aber es nützte nichts. Während er am Mantelaufschlag seines zurückweichenden Gegenübers herunterrutschte, spürte er, dass der zweite Kleiderschrank seine Pranken nach ihm ausfuhr. Eine Eiskralle bohrte sich in seinen Nacken, Cameron wurde aufgerichtet, direkt vor dem zornigen Gesicht des Wiesels, und sah die Waffe von links auf sich zufliegen. Sie traf ihn hart am Kinn, und für einen Moment war die Lagerhalle so schwarz und voller kleiner funkelnder Sterne wie die große Nacht draußen. Cameron konzentrierte sich auf seine Knie. Durch das Wummern in seinem Kopf suchte er nach etwas Licht. Er fand es.
    Als er wieder auftauchte, sah er die blitzenden Zähne. Die beiden Riesen hielten seine Arme fest umklammert.
    «Sieh an», grinste das Wiesel, «unser kleiner Freund aus Hollywood war ein ganz harter Bursche.»
    Cameron bewegte den Unterkiefer hin und her. Es schmerzte schlimmer als ein Abschiedsbrief, aber es funktionierte. «Nastings?», fragte er.
    «Bingo, Amigo.» Das Wiesel grinste breit und drückte ihm einen Revolverlauf zwischen die Augenbrauen. «Du verabschiedest dich mit einem Volltreffer. Buen viaje.»
    Der dünne, lange Finger vor Camerons Augen krümmte sich langsam um den Abzug. Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit sandte Cameron wieder etwas gen Himmel, und es war nichts Nettes. Er hatte keine Chance, und er wusste es. Seine Arme steckten in Schraubstöcken, und aus dieser Entfernung konnte nicht mal ein Epileptiker vorbeischießen. Cameron schloss die Augen. Er roch das kalte Metall, fühlte es an seiner Stirn lodern und verabschiedete sich von allem, was ihm lieb, verhasst oder vollkommen gleichgültig war.
    Er hörte ein lautes Zischen und hatte das unbestimmte Gefühl, gleichzeitig an beiden Ohrläppchen gekitzelt zu werden. Dann ließ der Druck der Schraubstöcke schlagartig nach. Das kalte Metall löste sich von seiner Stirn. Etwas sackte ächzend gegen seinen Bauch und prallte ab wie ein nasser Sack Federn. Drei dumpfe, unmittelbar aufeinanderfolgende Aufschläge waren zu hören und dann nur noch das leise Jammern der Laterne.
    Cameron öffnete die Augen.
    Vor ihm lag zusammengekrümmt das Wiesel und starrte maßlos erstaunt die Hallendecke an. Aus seinem Brustkorb ragte ein schmaler, polierter Pfeil, von dessen matt schimmernder Spitze aus einige Blutstropfen träge der Erdanziehungskraft folgten. Cameron wandte den Kopf, zuerst nach links, dann nach rechts. Die beiden Kleiderschränke sahen aus wie Leute, die auf Faschingsfeiern mit schlechtem Geschmack glänzen. Sie lagen mit weit aufgerissenen Mündern und Augen auf dem harten Boden. Es war kein Trick. Es waren keine Pseudopfeile, die mit einer Klammer über den Kopf geführt und von den Haaren verdeckt wurden. Die beiden Riesen waren wirklich tot. Sehr tot. Abgenippelte Geweste.
    Cameron schluckte und sah unter den Schreibtisch.
    Doc.
    Er legte die wenigen Schritte zurück, ging in die Knie und drehte den kleinen Mann um. Docs Augen waren geöffnet. Er brachte ein krauses Lächeln zustande.
    «Sehen Sie», röchelte er. «Was sagen Sie jetzt, Schlaukopf? Wer … hatte … recht?»
    Die Billardkugel sackte zurück. Cameron betrachtete den rot gefleckten Kittel, ließ den Toten behutsam zurücksinken und richtete sich auf. Er schloss die Augen und vergewisserte sich, dass er nicht träumte. Er ging zurück zu den Tischen, klaubte seinen Hut aus den Glasresten, betrachtete Nastings’ tote Kopfjäger und machte sich auf den Weg zur Tür.
    Er wusste, dass er sich aus dem Staub machen

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