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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Vogelschwärme und auch keine anderen Tiere. Seither war die gesamte Gegend nicht lebendiger als ein Pflasterstein, und es war mittlerweile eine knappe halbe Stunde her, dass sich sogar der Wind vollständig gelegt hatte. Cameron hatte den Plymouth am Straßenrand ausrollen lassen, den Motor ausgeschaltet und gelauscht.
    Bis zu jenem Augenblick hatte er nicht gewusst, was absolute Stille war.
    Seit der Motor des Plymouth wieder brummte, wusste Cameron nicht, ob es draußen noch immer so unfassbar ruhig war, aber er konnte sich auch nicht überwinden, den Wagen noch einmal zu stoppen und es zu überprüfen. Ihm war nicht nach Singen zumute, aber er sang.
    Seine Hände zitterten.
    Ihm war schmerzhaft bewusst, dass er auf etwas Ungeheuerliches zusteuerte. Etwas, das sein Fassungsvermögen so gut würde aufnehmen können wie ein Fingerhut die Sonne. Das hatte er schon geahnt, als er am Hafen in den Wagen gestiegen war, und nach dem Erlebnis auf der Brücke waren seine letzten Zweifel verflogen. Ebenso klar war ihm, dass es nichts gab, was er dagegen tun konnte. Gar nichts. Er konnte sich nicht mit Händen und Füßen zur Wehr setzen, nicht weglaufen, sich nicht mit kühler Logik retten oder mit eiskalten Sprüchen aus der Schlinge reden. Unsichtbare, unzerreißbare Stricke führten ihn, ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank.
    Camerons Hand schwebte über dem breiten Aschenbecher und schnippte einen Aschekegel auf den Beifahrersitz.
    Die Hand wanderte zurück und klemmte die Craven wieder in Camerons Mundwinkel. Er holte tief Luft. Schwere Herzschläge schnürten ihm stoßweise die Kehle zu. Er lockerte seine Krawatte und öffnete den obersten Knopf seines feuchten Hemdes.
    Vor dem klaren, reglosen Horizont zeichneten sich die Monolithen von Stonehenge ab.
    «Times have changed, since we landed on Plymouth Rock …!»
, jammerte Cameron aus voller Brust und steuerte auf die letzte Station seiner Reise zu. Eine mutlose Stimme raunte ihm tief aus seinem Inneren zu, dass es keine Rückfahrkarte gäbe.
    Er hatte sie gerade wieder zum Schweigen gebracht, als sich zwischen ihm und dem Steinkreis eine gigantische, düstere Wolke auf die Straße senkte.
     
    Diana und Erasmus standen vor dem Rover und lauschten atemlos in die Stille. Diana brach das Schweigen.
    «Mein Gott», flüsterte sie. «Hast du so was schon mal gehört? Beziehungsweise nicht gehört?»
    «Nein», sagte Erasmus andächtig und betrachtete die Wolken, die über ihnen am Firmament klebten. Was Natur gewesen war, schien sich in ein Gemälde verwandelt zu haben. Ein sehr realistisches Gemälde, das sich nur insofern von seinen in Museen hängenden Verwandten unterschied, als man in ihm herumwandern konnte. «Nein», wiederholte er kopfschüttelnd. «Wahrscheinlich so was Ähnliches wie die Ruhe vor dem Sturm.»
    Diana schauderte, als sie sich den Sturm auszumalen versuchte, der einer solchen Ruhe folgen mochte.
    «Erasmus», sagte sie und hakte sich ein. «Ich habe Angst.»
    Erasmus drückte sie an sich und nickte.
    «Ja», sagte er. «Die habe ich auch.»
    Und wieder lauschten sie in die Stille, bis Erasmus Dianas Hand ergriff, sie kurz drückte und dann zur Beifahrerseite des Wagens zurückkehrte. Das Aufspringen der Tür hallte wie ein Hammerschlag auf Blech durch die unheimliche Ruhe.
    «Komm», sagte Erasmus, «bringen wir’s hinter uns.»
    Diana kletterte in den Wagen und ließ den Motor an. Langsam ließ sie ihn auf den nahen Steinkreis zurollen, als plötzlich Wolkenfetzen aus allen Himmelsrichtungen zusammenflossen und vor ihnen auf der Straße die Gestalt eines Wesens anzunehmen begannen, neben dem der Thor kaum bedrohlicher gewirkt hätte als ein Usambara-Veilchen.
     
    Diesmal brauchte Gwydiot das Buch nicht. Diesmal wusste er auch ohne verworrene, unheilverkündende Orakel, dass ihm Verheerendes bevorstand. Obwohl kein Lüftchen ging, während die Pferde der drei Reiter sich in langsamem Trab auf den am Horizont wartenden Steinkreis der Riesen zu bewegten, hatte der Magier das unangenehme Gefühl, ohne Kutte in einem rasch zufrierenden See zu sitzen. Er sah nach rechts und betrachtete Gwenddolau, die starr und ernst geradeaus blickte. Ihre grazile Schönheit überwältigte ihn und trieb ihm einen riesigen Kloß in den Hals. Stillschweigend verfluchte er das Schicksal, das ihm dieses zauberhafte Geschöpf so spät zugeweht hatte. Viel zu spät. Er verfluchte das Schicksal gleich noch einmal. Genügte es denn nicht, dass er sich von all jenen Dingen

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