Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
schließlich keine Unmenschen, und ich halte mich an Maats Gesetz.«
»Daran zweifelt niemand.«
Gem warf dem obersten Wachhabenden, dessen Machenschaften manchmal sehr merkwürdig waren, einen wütenden Blick zu.
»Hier sind die Rechnungsbücher«, unterbrach sie ein Beamter, sichtlich erleichtert über diesen Fund.
Sämtliche Ausgaben waren sorgfältig verzeichnet – vom Einkauf von Papyrus verschiedener Güte bis hin zur Bestellung der täglichen Milchkrüge.
»Hier haben wir den Namen des Milchhändlers«, sagte der Richter. »Er heißt Starrkopf.«
»Den kenne ich«, sagte der Beamte. »Diesen Namen hat er wirklich verdient, aber er liefert ausgezeichnete Ware zu einem sehr guten Preis. Sein Stall ist in der Nähe des Neith-Tempels.«
»Bringt den Mann so schnell wie möglich zu mir«, befahl Gem.
6
K el war ratlos und hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Und nun verdächtigte er auch noch Demos, seinen besten Freund!
Seinen besten Freund? Nein, das war der Schauspieler Bebon, sein Freund aus Kindheitstagen, der jetzt als Geschichtenerzähler durch Ägypten reiste. Überall schätzte man Bebons Kunst des Erzählens; bei der Vorführung bestimmter Mysterienspiele, zu denen auch Weltliche zugelassen waren, trug er manchmal auch eine Maske von Horus, Seth oder einer anderen Gottheit.
Er war ein großer Verführer, blickte bereits auf eine stattliche Reihe von Eroberungen zurück und genoss das Leben in vollen Zügen. Obwohl er immer bereit war, sein Glück aufs Spiel zu setzen und alles zu verlieren, behielt er doch stets seine gute Laune und seine Tatkraft.
Bebon konnte ihm einen Rat geben … vorausgesetzt, er war gerade in Sais!
Weil ihm ein eigener Haushalt viel zu mühsam war, besaß der Schauspieler kein Haus, sondern lebte bei seiner jeweiligen Geliebten. Allerdings machte er den Frauen immer klar, dass die Tatsache, einige Zeit gemeinsam unter einem Dach zu leben, anders als es in Ägypten üblich war, keineswegs einer Ehe gleichkam. Vor jeder Ägypterin, die dann doch irgendwann die Ehe von ihm forderte, flüchtete Bebon und suchte sich eine neue Bleibe und ein Bett, das mit weniger Ansprüchen verbunden war.
Seine letzte Kel bekannte Bleibe: die Wohnung einer Sängerin, die im Neith-Tempel arbeitete. Sie hatte ein stattliches Erbe gemacht und genoss jetzt den Witz und die Leidenschaft ihres neuen Gefährten. Ihr geräumiges und angenehm eingerichtetes Stadthaus lag in einem Garten, in dem es sich die Geliebten gern gut gehen ließen.
Kel begrüßte den Gärtner.
»Ich möchte Bebon sprechen.«
»Wie ist Euer Name?«
Kel dachte kurz nach.
»Ich bin der Schwimmer. Sagt ihm bitte, dass es dringend ist.«
»Ich werde nachsehen, ob er da ist.«
Als Kinder hatten sich Bebon und Kel wilde Schwimmwettkämpfe geliefert. Weil Kel meistens gewann, hatte er diesen Spitznamen bekommen.
Der Schreiber musste lange warten.
Endlich erschien Bebon mit zerzausten Haaren und sichtlich ungehalten.
»Du bist es ja wirklich! Ich war ziemlich beschäftigt und …«
»Ich muss mit dir reden. Es geht um eine ernste Angelegenheit, eine sehr ernste Angelegenheit.«
»Oho, du siehst auch ganz schön ernst aus! Also bitte, komm rein.«
»Nein danke, ich möchte lieber ein paar Schritte gehen.«
»Ist mir auch recht, also los. Ich hatte sowieso vor, dieses Haus heute zu verlassen. Seine Besitzerin wird einfach zu vereinnahmend.«
»Was ist mit deinen Sachen?«
»Die habe ich schon zu meiner neuen Freundin bringen lassen, am anderen Ende der Stadt. Da werde ich mich drei, vier Wochen erholen, und dann breche ich in den Süden auf. Also, was ist das für eine ernste Angelegenheit?«
»Alle Schreiber im Übersetzeramt sind ermordet worden.«
Bebon blieb stehen.
»Wie bitte?«
»Sie wurden mit Milch vergiftet. Hätte ich nicht verschlafen, wäre ich jetzt auch tot.«
»Mein lieber Kel, Witze kannst du wirklich nicht gut erzählen.«
»Es ist die Wahrheit. Außerdem wurden alle Räume von oben bis unten durchsucht und alles auf den Kopf gestellt. Die Mörder müssen ein Schriftstück gesucht haben, und ich weiß nicht, ob sie es gefunden haben. Ich habe jedenfalls den verschlüsselten Papyrus gerettet, den mir mein Herr gerade erst anvertraut hatte.«
»Ist das vielleicht der kostbare Schatz, für den mehrere Morde geschehen sind?«
»Wenn ich das wüsste. Als die Mörder an den Tatort zurückkehrten, gelang es mir zu fliehen.«
»Wieso bist du nicht zu den Wachen gegangen
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