Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
Widerstand leisten!«, versprach Kel.
»Dazu haben wir nicht die Mittel«, widersprach die Gottesdienerin. »Außerdem wird Kambyses es nicht wagen, Karnak anzugreifen. Ihr aber müsst gehen. Nitis, dir gebe ich eine Truhe mit den heiligen Stoffen, die die gefährliche Löwin besänftigen. In dieser Truhe ist auch das Leintuch von Osiris, das für die Mysterienfeier gebraucht wird. Damit und mit deinem Wissen als Neith-Priesterin, wirst du unsere Weisheit bewahren und unsere Werte weiterreichen. Und dich, Schreiber Kel, werde ich heute Nacht einweihen, dann kennst du die Geheimnisse des Himmels, der Erde und der Sterne. Ein neues Leben wird dich atmen und zu einem geistigen Sohn von mir werden lassen, der unsere Freiheit verteidigen kann. Im Morgengrauen müsst ihr Karnak verlassen. Nur zwei Menschen wie ihr beide können das Verhängnis besiegen.«
»Wohin sollen wir denn gehen, Majestät?«, fragte Nitis.
»Nach Nubien. Mit einem von mir geschriebenen Geleitbrief könnt ihr die Grenze bei Elephantine überschreiten. Dann folgt ihr einem Weg, der am Nil entlangführt. Ein himmlisches Zeichen wird euch zu einem Dorf bringen, in dem der Gott Amun verehrt wird. Dort seid ihr in Sicherheit und könnt die Rückkehr Maats nach Ägypten vorbereiten.«
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K el hatte die Nacht seiner Einweihung in die Mysterien hinter sich, verspürte aber keinerlei Müdigkeit. Sein Geist hatte sich den spirituellen Wirklichkeiten geöffnet, die in Karnak seit Jahrhunderten gelehrt wurden. Jetzt wurde es Zeit, die Gottesdienerin und den Tempel zu verlassen. Er musste an seinen Meister denken, der ihn in das Übersetzeramt eingeführt hatte und der ermordet wurde, weil er den verschlüsselten Papyrus nicht hätte zurückhalten und zu entziffern versuchen dürfen. Doch dann hatten die Königin und ihre Verschwörer beschlossen, alle Übersetzer zu töten, um Ägypten blind und taub zu machen; so konnten die Perser ihren Überfall vorbereiten, ohne dass Pharao Amasis etwas geahnt hätte, weil er sich allzu sehr auf seine griechischen Verbündeten verließ. Und er – Kel – war auf Anraten seines griechischen ›Freundes‹ Demos, der später auch beseitigt wurde, zum willkommenen Sündenbock auserkoren worden.
Die Götter rächten sich jetzt an einer Macht, die das Gesetz von Maat missachtet hatte. Gemeinsam mit Nitis wollte der Schreiber weiterkämpfen und einen Widerstand gegen die Perser auf die Beine stellen. Auch wenn ihre Aussichten auf Erfolg äußerst gering waren, wollten die beiden auf keinen Fall aufgeben.
»Ich werde euch begleiten«, teilte ihnen Bebon mit. »Nordwind und ich müssen uns ein wenig die Beine vertreten.«
»Das wird aber eine sehr gefährliche Reise.«
»Was soll ich denn hier ganz allein? In Nubien machen wir schöne Masken, und ich kriege alle Gottheiten zusammen, die wir brauchen, um die großen mythischen Geschichten zu spielen.«
Die beiden Freunde umarmten sich.
Nordwind wurde das Leittier für eine kleine Herde kräftiger Esel, die Lebensmittel, Wasserschläuche, Kleidung, Seife, Schreibwerkzeug und Waffen tragen mussten.
»Es wird Zeit für euch zu gehen«, sagte die Gottesdienerin zu Nitis.
»Ich würde so gern bei Euch bleiben!«
»Dein Schicksal hat einen anderen Ort für dich bestimmt. Du und Kel, ihr beide seid ein Paar, würdig zu herrschen. Stattdessen sollt ihr im Verborgenen kämpfen, ohne je etwas davon zu haben und ohne euch entmutigen zu lassen. Außer Bebon dürft ihr keine Freunde haben und euch nur auf euch selbst verlassen. Die Zeit des Unglücks und des Widerstands naht, und ihr allein verkörpert die Hoffnung.«
Nitis, Kel, Bebon und Nordwind verneigten sich vor der Gottesdienerin.
Dann brach ihre kleine Karawane Richtung Süden auf.
»Morgen werden die Perser Theben erreicht haben, Majestät«, teilte ihr der Haushofmeister mit.
»Dann solltest du dich jetzt in Sicherheit bringen«, meinte die Gottesdienerin.
»Ihr kennt mich doch: Woanders halte ich es nicht aus. Und mich von Euch entfernen zu müssen, wäre für mich eine unerträgliche Strafe.«
»Du weißt aber, dass uns Kambyses nicht verschonen wird, Chechonq. Er wird uns töten und versuchen, Karnak zu zerstören. Die Götter sorgen zwar dafür, dass ein Teil des Tempels überdauert, aber Amuns Getreue müssen sterben.«
»Ich war immer bemüht, Euch ein treuer Diener zu sein und das Glück dieser Provinz zu mehren. Es wäre eine Schande, wenn ich fliehen würde.«
Daran gewöhnt, ihre Gefühle zu
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