Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
und deine Leute anschaue, darf man sicher sein, dass euch das nicht gelingt.«
»Wir werden überhaupt nicht bedroht!«
»Hol den Kommandanten.«
Im Laufschritt rannte der Offizier die Treppe zur Wohnung seines Vorgesetzten hinauf.
Etwas später kam dieser – dickbäuchig, kurzatmig und mit Doppelkinn – gemächlich von seinem Nest herunter.
»Wer mischt sich hier in meine Angelegenheiten? Der Einzige, der hier etwas zu sagen hat, bin ich!«
Die Ohrfeige von Phanes brachte den Widerspenstigen zu Boden.
»Ich enthebe dich deiner Ämter, Unfähiger! Du bist eine Schande für meine Truppen und wirst den Rest deiner Laufbahn am hintersten Ende einer Oase zubringen und auf Sträflinge aufpassen. Geh mir sofort aus den Augen.«
Mit einer feuerroten Backe schlich der Kerl davon.
»Ruft sofort alle Soldaten zusammen!«, donnerte der General.
Der Befehl wurde umgehend ausgeführt.
»Ab sofort wird ein griechischer Kommandant diese Festung befehligen. Er wird euch zunächst Zucht und Ordnung beibringen und euch dann in der Kunst der Kriegsführung unterweisen. Dreimal am Tag wird angetreten. Feiglinge und Faulpelze kommen in den Kerker. Jetzt räumt ihr erst mal diesen Schweinestall auf. Heute Abend will ich eine saubere Festung sehen und nur gewaschene und rasierte Soldaten. An die Arbeit!«
Phanes ließ den Verbindungsoffizier kommen, der ihm über den Zustand der Festung berichten sollte. Er hatte immer wieder die gleichen beschönigenden Briefe geschickt.
»Warum hast du mir nichts von diesen verheerenden Zuständen gesagt?«
»Ich dachte, das sei nichts Besonderes, General. Hier in Elephantine ist es zu heiß, um viel zu arbeiten, die Gegend ist ruhig und …«
Mit einem Kopfstoß brach der Riese dem Schwätzer die Rippen.
»Bringt das hier weg«, befahl er zwei ägyptischen Soldaten, die ihn mit angstgeweiteten Augen ansahen.
Im Sturmschritt überprüfte Phanes sämtliche Räume in der Festung. Im Arbeitszimmer des ehemaligen Kommandanten war der amtliche Briefverkehr aufbewahrt; dort hielt er sich länger auf.
Anscheinend ging es nur um belanglose Verwaltungsangelegenheiten. Doch dann entdeckte Phanes eine hölzerne Schreibtafel mit zwei Schriften – einer ägyptischen und einer fremden.
Sofort wurde nach dem besten Übersetzer vor Ort gerufen.
»Das ist Nubisch«, stellte der fest.
»Also los, übersetz mir das!«
Stockend berichtete der Übersetzer von dem Gesuch eines Stammesanführers um bevorzugte Behandlung und Steuererleichterungen im Austausch gegen friedliches Verhalten.
Die Antwort des ehemaligen Kommandanten war positiv.
In einem zweiten Brief war davon die Rede, dass Lebensmittel, Pfeile, Bögen und Brustschilde von den Zöllnern unterschlagen wurden.
»Kein Wort darüber«, befahl Phanes von Halikarnassos dem Übersetzer. »Sollte ich erfahren, dass du irgendetwas ausgeplaudert hast, wirst du wegen Hochverrats hingerichtet.«
Der Übersetzer schwor auf den Namen des Pharaos und auf alle Götter.
Die tatsächliche Lage, die er hier angetroffen hatte, war also noch wesentlich beunruhigender, als er sie sich ohnehin vorgestellt hatte. Eine baufällige Festung, die Truppen in einem jämmerlichen Zustand, Bestechung, heimliche Absprachen mit dem Feind … Im Falle eines Angriffs könnte Elephantine keinen Widerstand leisten.
»Bringt mir diesen Gauner, der behauptet hat, er wäre hier der Kommandant gewesen.«
Aber die griechischen Söldner suchten den Mann vergeblich. Er war in weiser Voraussicht geflohen.
»Dann verhören wir eben die Offiziere«, beschloss Phanes. »Und mit verhören meine ich richtig verhören. Ich will alles über diese heimlichen Geschäfte, ihre Hintergründe und das wahre Ausmaß erfahren.«
Noch am selben Abend wurde mit dem Foltern begonnen. Der General wusste, dass Maats Gesetz die Folter verbietet, setzte sich aber darüber hinweg. Die Sicherheit des Landes ging vor.
Und die Ergebnisse übertrafen noch seine ärgsten Befürchtungen.
Der ehemalige Kommandant der Festung von Elephantine, einige Priester aus dem Chnum-Tempel und mehrere nubische Stammeshäuptlinge wollten ein unabhängiges Gebiet schaffen und standen den Neuerungen von Amasis ablehnend gegenüber. Der Name des Schreibers Kel fiel zwar nicht; aber er war mit Sicherheit in diese groß angelegte Verschwörung verwickelt.
38
H eute Abend ist Euer Schiff zum Auslaufen bereit«, teilte der Oberritualist Nitis mit. »Eigentlich ist es ja verboten, nachts zu fahren; wegen der großen
Weitere Kostenlose Bücher