Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
Hitze hat man sich aber auf eine Ausnahme eingelassen.«
»Wird uns der Kapitän nicht verraten?«
»Er ist zwar bestechlich, hält sich aber an die Abmachungen. Alles andere würde seinem Ruf schaden. Seid unbesorgt, er wird Euch sicher ans Ziel bringen.«
»Und was ist mit den Wachmannschaften?«
»Ich weiß, wann sie ihre Runden drehen. Und der Wachposten wird tief und fest schlafen. Wir verfügen hier im Tempel über sehr wirkungsvolle Mittel. Wenn es an der Zeit ist, wird Euch ein Seemann in Eurer Wohnung abholen kommen.«
»Wie kann ich Euch nur danken?«
»Indem Ihr der Wahrheit zum Sieg verhelft, Nitis, und die Gottesdienerin dazu bringt, ihre Macht spielen zu lassen. Andernfalls stürzt Amasis Ägypten in den Untergang. Ihr führt Euren Kampf nicht nur für Euch, den Schreiber Kel und den Schauspieler Bebon. Von seinem Ausgang hängt das Schicksal des ganzen Landes ab.«
Nitis kehrte in die Bibliothek zurück, wo Kel noch immer mathematische Schriften studierte. Aber nirgends fand sich der Schlüssel zum Entziffern der geheimen Schrift!
»Wir verlassen Hermopolis noch heute Nacht«, sagte sie leise zu ihm, ehe sie ihr Gespräch mit dem Oberritualisten fortsetzte.
»Ich muss Bebon verständigen.«
Obwohl man die Wachtruppen verstärkt hatte, verhielten sie sich unauffällig. Der Hohepriester hatte nicht zugelassen, dass sein Reich von Ordnungshütern überrannt wurde. Und in Anbetracht seiner herausragenden Stellung hielt man sich an seine Vorschriften.
Kel war sehr vorsichtig, machte einen großen Umweg und blieb mehrfach stehen, um sich umzusehen, ehe er sich den Stallungen näherte.
Nordwind ließ es sich gut gehen, und Bebon machte gerade ein Nickerchen.
Der Schreiber streichelte den Esel, der ganz ruhig und friedlich war.
»Ist's wieder so weit?«, fragte der Schauspieler sorgenvoll.
»Wir brechen heute Nacht nach Theben auf. Ein Seemann bringt uns zu unserem Schiff.«
»Ich werde euch mit einigem Abstand folgen. Falls irgendeine Gefahr droht, wird uns Nordwind warnen. Ich bin übrigens gerade noch einmal durch den Hafen geschlendert.«
»Und – ist dir irgendetwas aufgefallen?«
»Nein, offenbar ist alles in Ordnung. Bis auf den Wachmann, der die ganze Nacht Wache hält.«
»Der wird ausgeschaltet.«
»Das klingt ja fast zu schön, um wahr zu sein!«
»Traust du dem Oberpriester etwa nicht mehr?«
»Doch, doch«, Bebon nickte. »Er ist weder ein Lügner, noch ein Dieb, ein durch und durch sittenstrenger Mann … Er wird uns ganz sicher keine Falle stellen. Außerdem können wir sowieso nicht mehr lange in Hermopolis bleiben. Früher oder später wird man den Tempel durchsuchen lassen.«
»Wir sind bald in Theben, und dann sprechen wir mit der Gottesdienerin.«
»Du bist aber sehr zuversichtlich!«
»Glaubst du etwa nicht daran, mein Freund?«
Bebon war verlegen.
»Das ist einfach nicht mein Fall. Aber wir haben keine Wahl. Also los – springen wir ins kalte Wasser! Und verschone mich bitte mit deinen Entschuldigungen darüber, dass du mich wieder in Gefahr bringst. Ich könnte mich sonst vergessen.«
Kel setzte sich neben den Esel.
»Mein Schicksal kommt mir so seltsam vor! Ich liebe eine wunderbare Frau, die mir ihre Zuneigung schenkt; ich habe einen Freund, der vor keiner Gefahr zurückschreckt – dennoch kann ich jeden Augenblick Opfer von Ungerechtigkeit und Unglück werden.«
»Hör auf mit dieser sinnlosen Grübelei und mach einfach weiter. Das Nachdenken über einen selbst führt zu nichts … höchstens zu einem selbst! Schreckliche Langeweile inbegriffen. Morgen fängt das wahre Leben an.«
Nordwind stellte die Ohren auf, und Kel stand auf und ging ganz gemächlich weg.
Ein Eseltreiber trat zu Bebon und fragte ihn neugierig aus: »Was hat der Priester von dir gewollt?«
»Er wollte wissen, warum ich nicht arbeite. Bei dieser Hitze brauch ich aber einfach ein bisschen mehr Pausen! Den aufdringlichen Kerl hab ich einfach weggeschickt.«
»Der war bestimmt ein Ordnungshüter. Zurzeit wimmelt es hier nur so von denen!«
»Warum denn?«
»Hast du noch nichts von dem Schreiber gehört? Dem Mörder, der Hunderte arme Menschen getötet hat? Ein blutrünstiges Ungeheuer, das auch vor einem ganzen Heer nicht zurückschreckt!«
»Der wird sich wohl nicht ausgerechnet im Tempel von Hermopolis verstecken.«
»Das glaub ich auch, aber die Wachtruppen suchen ihn überall. Sag mal, wir müssen Fässer in den Hafen bringen. Du hast nicht zufällig Zeit?«
Bebon
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