Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
stand langsam auf.
Das war ja eine ausgezeichnete Gelegenheit, um sich dort noch einmal gründlich umzusehen.
»Ich tu dir gern einen Gefallen.«
»Beruht ganz auf Gegenseitigkeit, mein Freund.«
Bebon und Nordwind machten sich auf den Weg zur Brauerei, um die Fässer abzuholen, und gingen dann in den Hafen.
Ein Schiff lief gerade aus, ein anderes ein. Hafenarbeiter waren zur Stelle, um die Ladung zu löschen; Ordnungshüter drehten ihre Runden.
Die Wachen vor dem Lagerhaus waren nicht verstärkt worden.
Der Wächter schrieb die Anzahl der Bierfässer auf.
»Hier kann man sich wirklich sicher fühlen«, meinte Bebon zu ihm.
»Ja, wir hatten sogar schon hohen Besuch – Oberrichter Gem war mit einem ganzen Trupp von Wachleuten hier! Ich glaube, sie haben nach Mördern gesucht.«
»Und hat man sie gefunden?«
»Nein, er ist unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Man sagt, der Hohepriester hat ihm nicht gestattet, die Tempelruhe zu stören. Obwohl er schon so alt ist, fürchtet er sich vor niemand! Na ja, zurück zur Tagesordnung. Die Streifen versuchen dauernd, kleine Gauner, die etwas klauen wollen, auf frischer Tat zu ertappen. Wenn sie erwischt werden, kriegen sie eine ziemliche Ladung Stockschläge ab, damit sie es nicht wieder machen! Diese Hitze! Willst du einen Schluck Bier?«
»Gern.«
So gestärkt, machte sich Bebon langsam wieder auf den Weg und sah sich gründlich um, ohne dass er etwas Auffälliges bemerkt hätte.
39
E s war schon längst tiefe Nacht, als der Seemann an die Tür von dem kleinen Haus klopfte, in dem Nitis und Kel untergebracht waren.
Kel sprang auf und öffnete ihm.
»Folgt mir.«
Nitis und Kel sahen sich an. Und wenn es doch eine Falle war?
Die junge Priesterin verließ das Haus als Erste. Kel trug den Sack mit Pfeil und Bogen der Göttin Neith, die Sobeks Krokodil Nitis geschenkt hatte.
In Thots Reich schienen alle friedlich zu schlafen. Es war noch immer drückend heiß, und der Neumond ließ das meiste im Dunkeln.
Ihr Führer hatte es ziemlich eilig; auf dem kürzesten Weg führte er sie Richtung Hafen.
Kel rechnete jeden Augenblick mit dem Auftauchen der Wachmänner oder Soldaten, die bestimmt sehr erfreut sein würden, wenn sie so leichte Beute machen konnten.
Bebon und Nordwind bliebe keine Zeit einzugreifen – außerdem wären sie ihnen zahlenmäßig unterlegen. Ob die Angreifer wenigstens Nitis verschonen würden? Kel wollte sich dazwischenwerfen und sein Leben für sie geben, aber wie sollten sie einer Meute entkommen, die entschlossen war, sie zu töten?
Endlich – der Hafen!
Hier war es am gefährlichsten.
Bestimmt lauerte man ihnen hier auf.
Der Seemann blieb plötzlich stehen. Kel drückte Nitis an sich. Endlos lange Sekunden wollten nicht vergehen. Schließlich bedeutete ihnen ihr Führer, sie sollten zu einem stattlichen Frachtschiff mit zwei Kabinen gehen.
Der Hafendamm wirkte verlassen.
Als sie am Landesteg angekommen waren, drehte sich der Schreiber um und erklärte: »Wir warten noch auf Bebon und Nordwind.«
»Ausgeschlossen«, widersprach der Seemann. »Der Kapitän will Hermopolis auf der Stelle verlassen.«
»Dann soll er eben fahren!«
»Wie du willst. Ich hab meinen Auftrag jedenfalls erfüllt«, sagte der stämmige Mann und ging an Bord.
Die Ruderer hatten ihre Plätze eingenommen und waren bereit zur Abfahrt.
»Kommt jetzt endlich an Bord!«, schimpfte der Kapitän.
»Wir sind aber zu viert«, gab der Schreiber zurück.
»Euer Pech. Wir legen jetzt ab.«
»Wir sind aber zu viert«, wiederholte Kel.
Nitis spähte in die Dunkelheit und hoffte auf das Eintreffen ihrer Gefährten, während sie gleichzeitig ein gewaltsames Eingreifen der Ordnungshüter befürchtete.
Diese Verspätung deutete eine schreckliche Wahrheit an: Man hatte den Schauspieler und seinen Esel verhaftet.
Plötzlich war ein Gejammer zu hören und dann die ärgerliche Stimme von Bebon: »Jetzt geh schon weiter, verflixt noch mal! Wir sind doch gleich da!«
Nordwind hatte offenbar keine Lust, Schiff zu fahren.
Nitis streichelte ihm über den Kopf.
»Wir müssen uns wirklich beeilen.«
Der Esel sah sie traurig an. Obwohl er eigentlich nicht wollte, folgte er der Priesterin doch.
Der Landesteg wurde hochgezogen, die Ruder tauchten ins Wasser. Das schwere Schiff legte ab und ließ den Hafen von Hermopolis schnell hinter sich.
»Hier herein«, befahl der Kapitän seinen heimlichen Fahrgästen und öffnete eine der beiden Kabinen. »Der Esel wird an den
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