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Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Kriegerschule Ecorim so stolz gewesen war.
    Hier, auf diesem Hügel, exakt zweihundert Schritt vor den eisernen Mauern, würde das Götterurteil stattfinden. Arden wusste, dass sich zwischen den Zinnen der Festung nun jeder verbliebene Mann und jede Frau seines Heeres versammelt hatten und auf ihn hinunterstarrten. All die Erwartungen und Hoffnungen, die auf ihm lagen, fühlte er mit solcher Deutlichkeit, dass es ihm fast die Luft zum Atmen nahm. Er musste sich dagegen abschotten, sonst würde es ihm seine Kraft für den bevorstehenden Kampf rauben.
    In der anderen Richtung, ebenfalls genau abgezählte zweihundert Schritt entfernt vom Kampfplatz, hatten die Kirchentruppen Aufstellung genommen, um von dort das Götterurteil zu verfolgen. Die langen, geraden Reihen der Soldaten in ihren gleichfarbigen Uniformen mit den glänzenden Kettenhemden darüber wirkten wie ein miniaturisierter Gegenentwurf der dunklen Mauern von Arch Themur. Der Citarim stand ebenfalls voll gerüstet vor seinen Männern, nicht mehr als eine kleine, unbewegte Figur auf der endlosen grauen Ebene. Doch selbst auf diese Entfernung glaubte Arden noch den stechenden Blick der Raubvogelaugen zu spüren, der sich unbarmherzig in ihn grub, als versuche der Citarim, Ardens geheimste Gedanken und Empfindungen ans Licht zu zerren.
    Endlich löste sich eine breitschultrige Gestalt aus den Reihen des Kirchenfürsten und kam gemessenen Schrittes auf den Hügel zu, wo Arden wartete. Ohne Zweifel musste es sich dabei um seinen Gegner handeln. Der Unbekannte wirkte sehr kräftig, war aber nicht übermäßig groß. Auch er trug das Kettenhemd mit dem Sonnensymbol darauf, allerdings hatte er die auffällige Uniform der Kirchenstreiter durch schlichtes Ledergewand ersetzt. In der Hand hielt er ein rauchig schwarzes Schwert, dessen Anblick Arden sofort in Unruhe versetzte. Dies war keine gewöhnliche Klinge, ebenso wenig wie das Schwert Ecorims.
    Das lange dunkle Haar seines Gegners wurde diesem vom kalten Nordwind, der aus den Bergen über die Ebene strich, immer wieder ins Gesicht getrieben. So bemerkte Arden erst, als der Fremde etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte, die breite, feuerrote Narbe, die sich über Stirn, Auge und Wange der linken Gesichtshälfte zog. Die Augenlider des linken Auges waren vernäht, was seinem Kontrahenten etwas verstörend Unmenschliches verlieh. Dazu trugen allerdings auch die außergewöhnlich harten Züge des Unbekannten bei. Die Kieferknochen zeichneten sich unter der bleichen Haut ab wie Speerspitzen, die Wangen wirkten eingefallen. Ein unbestimmtes Gefühl der Vertrautheit beschlich ihn bei diesem Anblick, eine Erinnerung, die sich ihm aber immer wieder entzog, sobald er sie zu fassen versuchte. In seinem tiefsten Inneren begann eine grauenvolle Ahnung zu dämmern, die sich in dem Augenblick bestätigte, als der Kämpfer ihn schließlich erreicht hatte und ohne Umschweife das Wort an ihn richtete:
    »Gefällt dir mein neues Gesicht etwa nicht, Halbbruder?«
    Arden konnte nichts anderes empfinden außer Entsetzen. Da stand er vor ihm, Alton, wie ein von den Toten zurückgekehrter Rachegeist, ein Fleisch gewordenes Abbild durchlittener Qualen. Arden brauchte ihn nicht zu fragen, wie es ihm nach dem Überfall auf die Kriegerschule ergangen war, das stand so überdeutlich in Artons Gesicht geschrieben, dass es schmerzte. Alles, was der König von Citheon zustande brachte, war ein gestammeltes »Warum?«.
    »Was meinst du, Halbbruder?«, fragte Arton voller kalten Spotts. »Warum ich so aussehe oder warum ich dir in diesem Götterurteil gegenübertrete?«
    »Du … willst gegen mich kämpfen?« Arden konnte das nicht begreifen. Er fühlte sich wie an dem Tag, als er vom Eingang des Drachenhorts beobachten musste, wie die riesige, geflügelte Echse sein Heer auslöschte. Die Welt, wie er sie kannte, schien aus den Fugen geraten zu sein.
    »Ich werde deinem Wahnsinn Einhalt gebieten«, verkündete Arton ohne den kleinsten Funken Mitleid in der Stimme. »Du hast genug Schaden angerichtet. Es wird Zeit, dass du dafür bezahlst.«
    »Was um alles in der Welt habe ich dir denn getan?«, fragte Arden mit leiser Stimme.
    »Mir?« Arton lachte auf. »Das lässt sich in der Kürze der Zeit nicht alles aufzählen, aber es ist äußerst bezeichnend, dass du es nicht einmal weißt. Viel schwerwiegender ist jedoch, was du den Menschen angetan hast, die du anführen solltest. Ich wusste von Anfang an, dass du nicht zum König

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