Götterschild
ganzen Zelt eine solche Wolke der Trauer aus, dass Thalia unwillkürlich die Tränen kamen. Außerdem regten sich aus irgendeinem Grund bei dem Namen Eringar ein paar schemenhafte, aber angenehme Erinnerungen in ihr. Bilder von ein paar geschnitzten Holzfiguren und einem kleinen Bauernhof blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Sie wusste nicht, woher diese Bilder kamen, aber sie verliehen Meatrils Geschichten über Eringars schreckliches Schicksal eine kaum zu ertragende Bitternis. Thalia schmiegte sich eng an Tarana und versuchte, nicht mehr ganz so genau hinzuhören.
Sie spitzte erst wieder die Ohren, als Meatril von einem Mann namens Megas erzählte, der den Überfall auf die Istanoit Ril befehligt hatte. Dabei war es aber nicht so sehr, was er sagte, das Thalia aufmerksam werden ließ, sondern vielmehr das, was er verschwieg. Sie konnte spüren, dass Meatril einige wichtige Dinge ausließ und die Art, wie er Thalia gelegentlich mit einem Blick streifte, aber auch einige verräterische Gedanken, die seinem Kopf entschlüpften, enthüllten ihr, dass es dabei zweifellos um sie ging. Irgendetwas, das Thalia betraf, wollte Meatril in dieser Runde nicht ansprechen, weshalb auch immer. Sie wagte nicht, vor allen anderen danach zu fragen, nahm sich aber vor, Tarana bei nächster Gelegenheit darauf anzusprechen und der Sache auf den Grund zu gehen.
Nachdem Meatril fertig war, ergänzte Targ noch, wie er Megas mehrmals verfolgt hatte, aber stets gescheitert war und wie er schließlich stattdessen die gefangenen Istanoit, unter ihnen auch Thalias Freund Felb, befreit hatte. Danach lieferte die fröhliche Rothaarige, die sich allen als Shyrali vorstellte, noch ihren Bericht ab, der Thalia aber ebenfalls ziemlich verworren erschien. Es folgte Tarana, die, zu Thalias großer Freude, ganz besonders die spezielle Gabe des Mädchens hervorhob und welch bedeutsamen Beitrag sie damit zur Verteidigung des Stammes geleistet hatte. Als Letzter erzählte Arden, was ihm widerfahren war, und seine Erzählung gefiel Thalia von allen am besten, denn der große Recke schien tatsächlich in irgendeinem fernen Land ein König zu sein, ohne dass er deswegen aber sonderlich stolz oder gar überheblich wirkte. Im Gegenteil, er sprach viel davon, was er alles falsch gemacht hatte und entschuldigte sich gleich mehrfach bei Meatril und Targ für einen Streit, den die drei gehabt hatten. Doch dann kam er zu einem Teil seiner Geschichte, die so ungeheuerlich war, dass alle Anwesenden, Thalia eingeschlossen, wie gebannt an seinen Lippen hingen. Es ging um die Vernichtung eines riesigen Heeres durch den Drachen. Also gab es dieses Wesen doch und Zottelbart hatte die Wahrheit gesagt, dachte Thalia beklommen.
Als Arden fertig war, herrschte zunächst gedankenvolles Schweigen im Zelt, bis Targ schließlich meinte: »Also nachdem, was ich jetzt alles gehört habe, können wir ja den Göttern auf den Knien danken, dass dieses Schwert Fendralin nicht mehr in den Händen des Citarim ist. Wenn ich das richtig verstanden habe, hätte er uns, ebenso wie die gesamte Festungsbesatzung, damit einfach zwingen können, ihm gegen den Drachen zu folgen.«
Arden nickte knapp. »Ich bin erst noch dabei, die ganze Kraft dieser Klinge und auch meine eigene zu erforschen. Aber der Citarim hätte es sicherlich fertig gebracht, damit einige Tausend Menschen gegen ihren Willen zu beherrschen.«
»Diese Geschichte lässt mich seltsamerweise an etwas denken«, bemerkte Targ grüblerisch, »das Megas erwähnt hat, als wir uns gezwungenermaßen gemeinsam durch die Sümpfe auf Andobras kämpften. Er sagte, das Volk des Inselreichs Jovena sei dereinst aus dem Norden gekommen, auf der Flucht vor den Drachen. Angeblich wären sie mithilfe der Götterklinge Fendralin gezwungen worden, ins Feuer der Drachen zu ziehen. Deshalb hätten sie in ihrer neuen Heimat auf den Inseln allen Göttern abgeschworen. Und aus diesem Grund, so behauptete er, wäre das Schwert von ihnen auch nicht Fendralin, also Licht der Menschen, genannt worden, sondern Feuerzwinger.«
»Feuerzwinger!«, entfuhr es Arden. »Genau dieses Wort hat auch der Drache benutzt, als er in Gedanken zu mir sprach.« Er strich nachdenklich mit den Fingern über das Schwert an seiner Seite. »Leider scheint das ein sehr passender Name zu sein«, stellte er bekümmert fest.
»Was mir auch noch Kopfzerbrechen bereitet«, ließ sich Meatril vernehmen, »ist das andere Schwert, Themuron. Müssen wir nicht davon ausgehen, dass der
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