Götterschild
seid, Ihr tut mir weh, wenn Ihr so an meiner Kette zieht. Das ist ein Geschenk meiner Mu …«, sie brach ab, »von Tarana.«
»Von Tarana, wirklich, von Tarana«, brabbelte der Unbekannte weiter, ohne sich um Thalias offensichtliche Schmerzen zu kümmern. »Wer ist denn diese Tarana, hm?«
»Sie ist eine Istanoit«, antwortete Thalia, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte.
»Tarana, Tarana, Istanoit, Tarana Istanoit«, wiederholte der zerzauste Wunderling mehrmals den Namen, als wollte er ihn auf seine Stimmigkeit hin prüfen. »Ich weiß nicht, sehr seltsam. Und diese Tarana, woher hat sie es, das, was um deinen Hals hängt, woher, sags mir, ich muss es wissen, muss ich.«
Thalia lag immer noch mit dem Gesicht auf den Steinen. Sie begann zu fürchten, ihr Genick könne brechen, wenn dieser Wilde weiter an ihr ziehen würde. Oder die Kette würde abreißen und diesem Verrückten in die Hände fallen. Deshalb sammelte sie ihre Geisteskräfte und schleuderte ihm einen Schwall ihrer zornigsten Gedanken entgegen: ›Lass mich los! Du tust mir weh!‹
Der Zug an dem Amulett ließ so plötzlich nach, das Thalia, die sich die ganze Zeit über vehement dagegengestemmt hatte, um ein Haar rittlings über den nächsten Stein gestolpert wäre. Sie rappelte sich auf und rieb sich ihren Nacken, auf dem die silberne Kette des Amuletts einen roten Striemen hinterlassen hatte.
›Bist du noch da? ‹, erkundigte sich der Haarige beinahe ängstlich und verwendete dazu nur noch seine geistige Stimme.
›Ja, ich bin noch da‹, dachte Thalia zurück, hielt dabei aber gebührenden Abstand zu dem Spalt, hinter dem sie den zotteligen Kopf ausmachen konnte. ›Warum warst du so grob zu mir?‹, erkundigte sie sich vorwurfsvoll und machte sich nicht mehr die Mühe, eine höfliche Anrede zu verwenden. ›Du hättest auch einfach fragen können, wenn du etwas über mein Amulett wissen willst.‹
›Es tut mir leid‹, meinte der Fremde zerknirscht. Seit er sich darauf beschränkte, nur noch in Gedanken mit ihr zu sprechen, klangen seine Sätze auch weit weniger wirr. ›Es ist schon so lange her, dass ich das da gesehen habe, was um deinen Hals hängt, so lange, fast genauso lange, wie ich nicht mehr auf diese Weise mit jemandem gesprochen habe.‹
›Du meinst, so wie jetzt nur in unseren Köpfen?‹ Thalia zog nachdenklich die Stirn in Falten. ›Warum kannst du das eigentlich?‹
›Dasselbe wollte ich dich gerade fragen.‹ Der Haarige ließ ein befremdliches Glucksen hören, das wohl ein Lachen darstellen sollte. ›Aber sag mir lieber zuerst, wo diese Tarana den Anhänger herhat, das ist wichtig, weißt du, sehr wichtig.‹
›Und warum ist das so wichtig?‹, fragte Thalia argwöhnisch.
›Das ist ein ganz besonderes Amulett, musst du wissen, sehr besonders, sehr alt, sehr wichtig. Nicht jeder darf es tragen.‹
›Ich bin nicht dumm‹, gab Thalia ungehalten zurück. ›Ich werde dir meinen Anhänger nicht so einfach geben, bloß weil du mir sagst, dass ich ihn nicht haben darf.‹
›Hmm‹, machte Zottelbart enttäuscht. Da er seinen wahren Namen nicht verraten wollte, hatte Thalia beschlossen, ihm im Stillen diesen, wie sie fand, äußerst passenden Namen zu geben. ›Du bist aber sehr schlau für dein Alter, ja wirklich, das ist gut‹, fuhr Zottelbart fort. ›Aber auch sehr misstrauisch, das ist schlecht. Machen wir es so: Ich verrate dir ein großes Geheimnis über deinen Anhänger, wenn du mir dafür sagst, von wem ihn deine Tarana bekommen hat, ja?‹
Thalia überlegte. ›Erklär mir zuerst mal, was du eigentlich da unten machst.‹
›Sie haben mich hier eingesperrt‹, beschwerte sich der Haarige empört. ›Sie kamen einfach in mein Heim und sagten, es würden bald noch mehr kommen und für längere Zeit hier bleiben. Dann schleiften sie mich zu meinem Unterschlupf, warfen mich hinein und wälzten einen Stein über den Ausgang. Ist das nicht gemein?‹
›Das hier ist dein Unterschlupf?’, hakte Thalia zweifelnd nach. ›Soll das heißen, du wohnst in diesem Steinhaufen?‹
›Haufen, Haufen, das ist nicht bloß ein Haufen. Hier gibt es viele unterirdische Räume und Kammern. Vieles wurde zugeschüttet, aber nicht alles. Wenn man sich dünn macht, kommt man oft noch ganz gut zwischen den Steinen durch. Aber diese unhöflichen Leute haben einen Felsen über mein Ausgangsloch gerollt, und jetzt sitze ich hier fest.‹
›Das haben sie bestimmt nicht ohne Grund gemacht‹, stellte Thalia
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