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Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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welches von ein paar Öllichtern an langen Metallstangen nur spärlich erleuchtet wurde, wirkte regelrecht ausgestorben. Lediglich ein einsamer Wachposten stand noch vor der Gefängnisgrube, einem hastig ausgehobenen und mit einem hölzernen Gitter zugedeckten Loch im weichen Sandboden, das zur Unterbringung der Gefangenen diente.
    Plötzlich sah Arden aus den Augenwinkeln einen gewaltigen dunklen Umriss, der an dem provisorischen Kerker vorbeiflog. Reflexartig duckte er sich in den Schatten einer Zeltwand. War das eine Sinnestäuschung gewesen? Oder nutzten die Tanduceser die Verwirrung ihrer Feinde für einen Angriff aus der Luft? Das schien unmöglich. Arden wusste zwar, dass es in Etecrar irgendwo so eine Art fliegende Wachhunde geben sollte, aber keiner seiner Berater hatte jemals etwas davon erwähnt, dass die Tanduceser über solch außergewöhnliche Tiere verfügten. Arden schnalzte mit der Zunge. Dieser Abend versprach zunehmend interessanter zu werden.
    Er verhielt sich ruhig und beobachtete mit der Hand an seinem Schwertknauf, was weiter geschehen würde. Vielleicht bot sich hier doch noch die Gelegenheit, sein eingerostetes Kampftalent ein wenig zu ölen. Er musste nicht lange warten, bis der Schatten zurückkehrte. Diesmal bestand kein Zweifel, dass es sich um irgendein großes, flugfälliges Wesen handelte, das lautlos über den Zelten durch die Luft segelte. Da löste sich auf einmal ein kleinerer Schatten von den Hinterbeinen des fliegenden Geschöpfs und fiel auf eines der Zeltdächer. Erst auf den zweiten Blick erkannte Arden, dass es sich um eine Person und keinen Gegenstand handelte, denn der Schatten rollte sich gekonnt ab, ließ sich über den Rand des Zeltdachs hinabfallen, um schließlich ohne ein einziges Geräusch auf dem Boden zu landen. Dort verharrte der Unbekannte erst einmal in kauernder Haltung und versicherte sich, dass sein Eindringen nicht bemerkt worden war. Doch nicht einmal der wenige Schritte entfernt stehende Wächter der Gefangenengrube schien alarmiert zu sein.
    Nur einen kurzen Moment später kehrte das fliegende Ungetüm wieder zurück. Diesmal schoss es steil aus dem Schutze der Dunkelheit herab und stürzte sich auf den ahnungslosen Wächter. Mit einem erstickten Aufschrei wurde der Mann von dem vogelähnlichen Wesen in die Luft entführt. Beinahe gleichzeitig huschte die kleine Gestalt, die offensichtlich genau auf diese Gelegenheit gewartet hatte, zur Gefängnisgrube hinüber.
    Arden zögerte. Der Eindringling wollte eindeutig die Gefangenen befreien. Wenn Arden diesen einzelnen Gegner stellen würde, gäbe das weder eine besondere kämpferische Herausforderung für ihn ab, noch würde ein solcher Zwischenfall ausreichend Heldenruhm bringen, um sein Ansehen beim Volk zu steigern. Unternahm er dagegen nichts, so überlegte Arden weiter, würden die Kirchendiener nicht nur die Verantwortung für das heillose Chaos dieser Nacht tragen müssen, sondern auch noch dafür, dass jemand unbemerkt den Gefangenen zur Flucht verholfen hatte. Weil sich die Vertrauten des Citarim bei der gesamten Schlachtplanung so sehr in den Vordergrund gedrängt hatten, müssten sie nun auch für sämtliche Fehlschläge geradestehen. Deshalb beschloss Arden, noch ein wenig abzuwarten.
    Der Eindringling hatte mittlerweile die kurzen Holzpflöcke entfernt, mit denen das Gitter am Boden fixiert war. Jetzt schob er das Gestänge zur Seite und streckte seinen Arm in die Grube hinunter, um den Insassen beim Herausklettern zu helfen. Ein Gefangener nach dem anderen gelangte so nach oben. Arden zählte fünf, wobei der letzte, ein kräftiger Blondschopf in dunkler Gewandung, seinem Befreier erst dankbar die Hand schüttelte und sich dann sogar zu einer überschwänglichen Umarmung hinreißen ließ. Ohne Zweifel kannten sich die beiden. Gleich darauf erschien die geflügelte Kreatur wieder über dem Lager. Sie hatte sich des zuvor aufgegriffenen Wachmannes irgendwie entledigt und schwebte jetzt zu den Befreiten hinab. Deutlich sanfter als bei ihrem vorigen Opfer nahm sie einen der Wartenden mit ihren Hinterbeinen auf und flog mit ihm davon.
    Arden sah staunend zu, wie auf diese Weise einer nach dem anderen aus dem Lager gebracht wurde. Er konnte den Mut des unbekannten Eindringlings und das perfekte Zusammenspiel mit seinem abgerichteten Flugwesen nur bewundern. Der Fremde riskierte hier sein Leben oder zumindest seine Freiheit, um seine Freunde aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Arden musste

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