Götterschild
feststellen, dass er diese Leute um ihre Kameradschaft beneidete. Einst hatte er den Ecorimkämpfern auch so nahe gestanden und sie wären für einander das gleiche Wagnis eingegangen, aber diese Zeiten schienen unendlich weit zurückzuliegen. Mittlerweile musste er schon froh darüber sein, wenn er jemanden fand, mit dem er ein paar ungezwungene Worte wechseln konnte.
Als die geflügelte Kreatur gerade den letzten der fünf Gefängnisinsassen davontrug und nur noch deren Befreier zurückgeblieben war, hörte Arden plötzlich rasch näher kommende Schritte. Der kleine Eindringling, der dies auch bemerkt hatte, sprang augenblicklich in den schützenden Schatten eines nahen Zelts, wo er regungslos auf den Boden gepresst liegen blieb. Kurz entschlossen trat Arden aus seinem Versteck heraus, von wo aus er alles beobachtet hatte, und stellte sich den Näher kommenden in den Weg. Es handelte sich um eine kleine Gruppe von vier Soldaten, die anscheinend gerade einen Patrouillengang durch das Lager unternahmen.
»Jemand ist ins Lager eingedrungen und hat die Gefangenen befreit«, herrschte Arden die ahnungslosen Männer an. »Wie konnte das geschehen?«
Vom plötzlichen Auftauchen und dem herrischen Tonfall ihres Königs eingeschüchtert, wagte keiner der vier Soldaten, etwas zu erwidern. Sie beäugten nur betroffen die offen stehende Gefängnisgrube.
»Warum ist euch bei eurem Rundgang nichts aufgefallen?«, erkundigte sich Arden. »Schlaft ihr beim Gehen? Wenn ich nicht zufällig hier vorbeigekommen wäre, hätte wahrscheinlich niemand etwas bemerkt, bis es wieder Tag geworden wäre.«
»Wir sind erst gerade vom Hauptmann auf Patrouille geschickt worden«, versuchte sich einer der Soldaten zu verteidigen. »Das ist das erste Mal, dass wir hier vorbeikommen, Majestät. Vorher haben wir geholfen, das Feuer zu löschen.«
»Und wegen des Feuers lassen eure Befehlshaber den ganzen Rest des Lagers einfach unbewacht«, stellte Arden kopfschüttelnd fest. »Eine solche Nachlässigkeit kann man bestenfalls als Stümperei bezeichnen. Sind denn wenigstens rings um das Lager noch Wachen postiert?«
»Selbstverständlich, Majestät«, antworteten die vier nahezu gleichzeitig.
»Dann lauft jetzt los und setzt sie darüber in Kenntnis, dass die Gefangenen befreit wurden und alle Fluchtwege aus dem Lager abgeriegelt werden müssen. Vielleicht können wir die Flüchtigen auf diese Weise wieder einfangen, falls sie nicht schon längst über alle Berge sind. Also beeilt euch!«
»Jawohl, Majestät!« Die vier rannten los, als säße ihnen ein Dämon im Genick.
Arden schmunzelte. Ja, es hatte auch seine Vorzüge, Regent zu sein. Nachdem er sich vorsichtshalber noch einmal umgesehen hatte, ob er nun wirklich ungestört war, ging er zu dem Zelt hinüber, hinter dem sich der kleine Eindringling immer noch flach wie eine Kupfermünze auf den Boden drückte. Arden stupste ihn mit der Spitze seine Stiefels an:
»Du kannst aufstehen«, forderte er den Eindringling mit gedämpfter Stimme auf. »Sie sind weg.«
Zwei große, runde Augen glänzten ihm aus dem Halbdunkel entgegen. Das Gesicht des Unbekannten ließ sich bei den schlechten Lichtverhältnissen nur erahnen, aber Arden konnte sich die Verblüffung, die sich in diesem Moment darauf abzeichnen musste, nur zu gut vorstellen.
»Mich hat euer kleines Schaustück von vorhin sehr beeindruckt«, erklärte Arden, »und ich finde es ungerecht, wenn du als Einziger erwischt wirst, nachdem all deine Freunde, für die du so viel riskiert hast, bereits in Sicherheit sind.«
»Wer seid Ihr?«, kam die leise Stimme des Unbekannten aus der Dunkelheit.
Arden zögerte, konnte es sich jedoch nicht verkneifen, sein Gegenüber noch mehr in Staunen zu versetzen. »Ich bin Arden Erenor, König von Citheon«, verkündete er genüsslich. »Und mit wem habe ich die Ehre?«
Nach einer kurzen Pause folgte schließlich die Antwort: »Mein Name ist Rai … Eure Majestät.«
»Gut, Rai«, fuhr Arden fort, »ich habe beschlossen, dich laufen oder vielmehr fliegen zu lassen, wenn du mir vorher noch verrätst, was das für ein großartiges geflügeltes Wesen in deinen Diensten ist?«
»Ein Flugwolf aus Kersilon«, erwiderte Rai, während er sich vorsichtig erhob. Er schien dem Frieden noch nicht ganz zu trauen, denn er sah für Arden so aus, als würde er jeden Moment die Flucht ergreifen.
»Keine Angst«, beruhigte ihn Arden, »du kannst mir vertrauen. Ruf deinen Flugwolf herbei und sieh zu, dass du von
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