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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Problem dar – wie durch einen unheimlichen Zauber (in Wahrheit wohl eher durch einen architektonischen Trick seiner maurischen Erbauer) war er stets über den Dächern der Stadt zu sehen, ganz egal, wie schmal und eng die Gässchen auch sein mochten, durch die sie gingen. Der Weg führte sie jedoch nur ein kleines Stück weit über jene Art von Straßen, die er genommen hätte, hätte er sich nur am Anblick des rechteckigen schwarzen Schattens vor dem Nachthimmel orientiert. Bald tauchten sie wieder in das Labyrinth von Gässchen und Pfaden ein, stiegen über niedrige Mauern, huschten über Hinterhöfe und durch kleine Gärten und kletterten einmal sogar an einer Wand empor, um über ein Dach zu steigen. Andrej kamen diese Vorsichtsmaßnahmen ein wenig übertrieben vor. Obwohl er Gordon ja selbst darum gebeten hatte, argwöhnte er doch, dass der Galeerenkapitän die Gelegenheit nutzte, um sich wichtig zu machen.
Aber das galt nur für das erste Stück des Weges. Je näher sie dem Hafen und damit dem alten Festungsturm kamen, desto öfter gebot ihm Gordon mit einer plötzlichen Bewegung, stehen zu bleiben, lauschte einen Moment und wich auch zwei oder drei Mal hastig ein Stück weit wieder zurück, um eine Patrouille vorübergehen zu lassen, die es dann doch nicht gab. Andrejs feine Sinne hätten ihm die Nähe jedes anderen Menschen verraten, lange bevor Gordon sie gehört hätte. Schließlich aber trafen sie doch auf die erste Patrouille. Es waren zwei Mann in Uniformen und mit schussbereiten Musketen, die so jäh aus einer Gasse vor ihnen auftauchten, das Gordon ihnen beinahe in die Arme gelaufen wäre und Andrej ihn gerade noch mit einer Hand zurückreißen und ihm die andere auf den Mund legen konnte, um einen überraschten Ausruf zu verhindern. Er sah nicht hin, spürte aber, wie sich der Mann hinter ihm spannte und nach seiner Waffe griff, bevor ihm klar wurde, dass er seinen Kapitän nicht angriff, sondern ihn rettete.
Die beiden Soldaten verschwanden nach wenigen Augenblicken in einer anderen Gasse, doch Andrej hielt Gordon weiter fest, bis ihre Atemzüge, ihre Schritte und einen Moment später auch das Geräusch ihrer Herzschläge endgültig verklungen waren. Erst dann ließ er den Kapitän los, und Gordon taumelte keuchend zwei Schritte rücklings vor ihm zurück und funkelte ihn an. »Was zum Teufel sollte denn das?«, keuchte er. »Wolltet Ihr mich umbringen?«
»Ich wollte nur verhindern, dass sie uns entdecken«, antwortete Andrej.
»Ach?« Das Funkeln in Gordons Augen wurde noch ärgerlicher. »Und dazu ist es nötig, mich zu ersticken?« Tatsächlich hatte Andrej ihm die Luft abgeschnürt und nur wenige Momente länger, und er wäre vielleicht erstickt. Und Andrej gestand sich ein: Er hatte es gewusst. Nur war es ihm nicht wichtig vorgekommen. »Tut mir leid, aber ich habe es nicht gemerkt«, sagte er. »Warum habt Ihr nichts gesagt?«
In Gordons Augen erschien ein Ausdruck purer Mordlust, aber nur für einen winzigen Moment. Dann schüttelte er den Kopf und grinste plötzlich wieder. »Habe ich Euch schon gesagt, dass ich einen Mann wie Euch …«
»Mehrmals«, unterbrach ihn Andrej. Damit ging er einfach weiter, und enttäuscht setzte Gordon seinen Weg fort.
Die Patrouille, der sie gerade noch ausgewichen waren, war nicht die letzte. Allein auf dem letzten Stück mussten sie noch vier oder fünf Mal hastig kehrtmachen oder in ein Versteck huschen, wenn Andrej das Geräusch von Schritten hörte oder sich ihnen Stimmen näherten. Seltsam war, dass keiner der Männer eine Fackel bei sich hatte oder eine Lampe. Nicht, dass es ihnen etwas genutzt hätte, wäre es wirklich Abu Dun gewesen, den sie jagten.
Aber daran glaubte Andrej schon lange nicht mehr. Wäre es wirklich Abu Dun gewesen, der aus dem Turm ausgebrochen war, hätte der Nubier ihn gefunden. Und die Hälfte der Soldaten, die nach ihm suchten, wäre wohl nicht mehr am Leben.
Als der Turm schließlich wieder vor ihnen lag, gab es gar kein Weiterkommen mehr. Das große Tor war nach wie vor geschlossen, und auch von der Präsenz des Vampyrs war nichts zu spüren. Aber der schmale Vorplatz wimmelte von Soldaten, und noch mehr Männer durchkämmten beharrlich jede Gasse und jeden Winkel in seiner Umgebung.
»Dem hochverehrten Don de Castello scheint es ganz und gar nicht zu gefallen, dass einer seiner Gäste seine Einladung ausgeschlagen hat«, sagte Gordon spöttisch. Zu Andrejs Missfallen flüsterte er nicht.
Dennoch nickte er nur und

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