Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
erlaubt ist?«, erkundigte sich Gordon, nahm aber immerhin den Arm aus der Jacke, wenn auch nicht vorsichtig genug, denn der Ärmel riss aus der Schulter, und eine der verblassten Epauletten fiel zu Boden.
Andrej unterdrückte ein Lächeln und zog es überdies vor, Gordons Frage zu überhören. Er konnte schwerlich zurück zum Goldenen Eber (nicht nur, weil Lokis Männer dort zuallererst nach ihm suchen würden), aber sie hatten genau für solche Situationen in jeder Stadt eine Anzahl von Treffpunkten ausgemacht, die er der Reihe nach absuchen würde. Und dabei konnte er ganz bestimmt keine Begleitung gebrauchen.
»Ich kann Euch nicht allein gehen lassen, Andrej«, sagte Gordon. »Wenn dieser entflohene Gefangene tatsächlich Euer Freund ist, dann werden sie ebenso nach Euch suchen. Und ich habe Colonel Rodriguez mein Wort gegeben, auf Euch aufzupassen.«
»Ich verrate Euch nicht«, antwortete Andrej. Er wollte sich zur Tür wenden, und derselbe Matrose, der vor einem Moment mit den schlechten Nachrichten hereingekommen war, vertrat ihm nun den Weg. Gordon scheuchte ihn unwillig zur Seite.
»Ich habe im Prinzip nichts dagegen, wenn Ihr Euch umbringen lassen wollt, Señor«, sagte er. »Schließlich ist es Euer Leben, nicht wahr?«
»Ganz recht«, antwortete Andrej. Seine Hand kroch ebenso langsam zum Schwert, wie er sich zu Gordon herumdrehte. »Aber?«
»Unglückseligerweise habe ich dem guten Colonel mein Wort gegeben, für Eure Sicherheit zu bürgen, Andrej«, antwortete Gordon. »Und das Wort eines Don Miguel Gordon gilt.«
»Und was genau«, erkundigte sich Andrej in fast freundlichem Ton, obwohl sich seine Hand fast ohne sein Zutun um Gunjirs Griff schloss, »wollt Ihr mir damit sagen, Capitan?«
»Ach, eigentlich nichts.« Gordon grinste plötzlich. »Aber natürlich werde ich mir den Spaß nicht entgehen lassen.«
Andrej sah den Spaß in dem, was er vorhatte, nicht, aber Gordons Grinsen war irgendwie entwaffnend. Und schließlich mochte es sein, dass er in eine Situation geriet, in der es sich als nützlich erweisen würde, jemanden bei sich zu haben, den er im Zweifelsfall opfern konnte …
»Dann kommt mit«, sagte er. »Aber nur Ihr. Und zählt besser nicht darauf, dass ich auf Euch warte oder Rücksicht auf Euch nehme.«
»Das, Andrej«, antwortete Gordon lächelnd, »wäre ohnehin das Letzte gewesen, womit ich gerechnet hätte.«

13

O
    bwohl die Sonne erst in einer knappen Stunde aufgehen würde, glaubte er ihr bevorstehendes Erwachen bereits zu spüren. Es war ihm unangenehm. Schon der Gedanke an ihr grelles Licht und die unbarmherzige Hitze erfüllte ihn mit Unbehagen, und die Vorstellung, die schützenden Schatten der Nacht verlassen zu müssen, ängstigte ihn. Vielleicht war er auch einfach nur nervös.
Andrej wusste schon, dass Abu Dun auch an diesem Treffpunkt nicht auf ihn wartete, bevor er die Tür der heruntergekommenen Kirche hinter sich schloss und dabei wie zufällig den Kopf schüttelte … Jedem halbwegs aufmerksamen Beobachter wäre selbstverständlich aufgefallen, dass sie eine Botschaft war für jemanden, der irgendwo in einem Versteck wartete, und derselbe Beobachter hätte auch gewusst, wo dieses Versteck zu suchen war: nämlich in der Richtung, in die Gordon krampfhaft nicht blickte, während er scheinbar gemächlich über den menschenleeren Vorplatz der Kirche schlenderte.
Allerdings gab es im Moment weder einen aufmerksamen noch einen unaufmerksamen Beobachter. Sie befanden sich in einem Viertel, das tatsächlich noch heruntergekommener war als das, in dem der Goldene Eber lag, und dessen Bewohner sich nicht von der allgemeinen Hysterie hatten anstecken lassen, sondern die wenigen Stunden Schlaf genossen, die sie in Zeiten wie diesen bekamen. Ringsum herrschte nahezu vollkommene Stille. Die einzigen Atemzüge, die er hörte, waren die Gordons und seine eigenen – und natürlich die der drei Männer, die Gordon selbstverständlich doch insgeheim angewiesen hatte, ihnen zu folgen.
»Ich fürchte, Euer Freund ist hier auch nicht, Andrej«, sagte Gordon, nachdem er unter dem Torbogen angekommen war, in dem Andrej auf ihn wartete. »War das euer letzter Treffpunkt?«
»Treffpunkt?«, wiederholte Andrej.
»Das Rathaus, die jüngste Kirche der Stadt, der Friedhof und die älteste Kirche der Stadt, sollte es mehr als eine geben«, erklärte Gordon, wobei er jedes Mal einen Finger hob. »Unauffällige Treffpunkte, solltet ihr getrennt werden und keine Zeit mehr haben, um euch zu

Weitere Kostenlose Bücher