Goettersterben
es ihm ansah.
»Ich mache Euch einen Vorschlag, Andrej«, sagte er. »Ihr bleibt über Nacht mein Gast, und ich schicke einen meiner Männer, um sich ein wenig umzuhören.« »Und was soll das bewirken?«, fragte Andrej. Gordon grinste. »Nun, zum einen hoffe ich auf die eine oder andere interessante Geschichte, die Ihr mir sicherlich erzählen werdet. Und es kann nie schaden, zuerst einen Plan zu ersinnen und dann loszustürmen, nicht wahr?«
Andrej hob die Schultern. Er würde ganz gewiss nicht tatenlos hier herumsitzen und darauf warten, dass die Sonne aufging und vielleicht ein Wunder geschah. Aber in einem Punkt hatte Gordon vollkommen recht: Es war unklug, einfach loszustürmen, um erst dann zu sehen, was geschah. Er brauchte einen Plan.
»Hattet Ihr mir nicht ein gutes Glas Wein versprochen, Capitan?«, fragte er.
Der Mann, den Gordon losgeschickt hatte, um sich ein wenig umzuhören , kam nach einer guten Stunde zurück und brachte keine guten Neuigkeiten.
»Irgendetwas geht vor«, berichtete er nervös. »Ich weiß nicht was, aber es … gefällt mir nicht.«
»Sprich nicht in Rätseln, Kerl!«, fuhr Gordon ihn an, bevor Andrej auch nur eine eigene Frage stellen konnte. »Was soll das heißen, irgendetwas geht vor?«
Der Mann begann unsicher von einem Fuß auf den anderen zu treten und wich auch Gordons Blick aus, schüttelte aber trotzdem stur den Kopf. »Genauer kann ich es nicht sagen, Capitan«, beharrte er. »Es sind viele Soldaten unterwegs. Sie haben die Patrouillen mindestens verdoppelt, und alle sind …«, er schien nach dem richtigen Wort zu suchen, »… nervös.«
Gordons Stirnrunzeln machte Andrej klar, dass wohl nicht nur ihm aufgefallen war, dass der Mann eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen.
»Nervös?«, fragte er rasch, bevor Gordon abermals lospoltern und den armen Kerl endgültig so einschüchtern konnte, dass er gar kein Wort mehr herausbekam. »Was genau meinst du damit?«
»Sie scheinen jemanden zu suchen«, antwortete der Matrose unglücklich. »In der Festung herrscht helle Aufregung.«
Andrej tauschte einen raschen Blick mit Gordon. »Aufregung?«
»Vielleicht ist ihnen ja schon wieder ein Gefangener abhanden gekommen«, vermutete Gordon.
Und Andrej glaubte auch zu wissen, welcher. Er war allenfalls ein wenig überrascht, wie schnell es gegangen war. Die Festungsmauern, die Abu Dun hielten, mussten vermutlich erst noch gebaut werden, aber er hatte damit gerechnet, dass sich der Nubier deutlich mehr Zeit ließ, um dem Geheimnis des dunklen Turms auf den Grund zu gehen.
Aber vielleicht hatte er ja einen triftigen Grund gehabt, so schnell wieder von dort zu verschwinden.
»Kannst du mich dorthin bringen?«, fragte er. »Wohin?«
»Zu diesem Turn«, antwortete Andrej. »Auf einem Weg, auf dem wir nicht gesehen werden.«
»Das ist unmöglich, Señor«, beharrte der Matrose. »Ich hatte unverschämtes Glück, nicht ebenfalls verhaftet zu werden.«
»Verhaftet?«
»Sie nehmen jeden fest, den sie auf der Straße antreffen und der sich nicht ausweisen kann.«
»Oder zum Militär gehört?«, fragte Gordon. Ohne eine Antwort abzuwarten, trat er an eine von zwei großen Truhen, die neben der Tür standen, klappte den Deckel auf und kramte einen Moment lang darin herum. Andrej betrachtete zweifelnd die zerschlissene Marineuniform, die er in den Händen hielt, als er sich wieder aufrichtete. »Haltet Ihr das für eine gute Idee, Capitan?«, fragte er. »Nein«, antwortete Gordon fröhlich. »Wenn Ihr eine bessere habt, so höre ich sie mir auch gerne an.« »Wie wäre es mit einer zweiten Uniform?«, schlug Andrej vor. Die Idee war so verrückt, dass sie schon beinahe wieder gut war.
»Leider.« Gordon schüttelte bedauernd den Kopf. »Und in Eurer Größe wäre es wahrscheinlich ohnehin schwierig, eine passende Uniform zu finden. Ihr seid mein Gefangener, und ich habe Euch irgendwo abzuliefern.«
»Irgendwo.«
»Niemand wird eine Frage stellen«, behauptete Gordon und deutete mit dem Kopf auf die abgewetzten Epauletten der Uniform. »Das ist die Uniform eines Colonels. Kein einfacher Soldat wagt es, einen Colonel zu kontrollieren.«
»Oder gar zu verhaften?«, fragte Andrej.
Gordon blinzelte verlegen. Dennoch begann er sich unverzüglich aus seiner Jacke zu schälen und war schon mit einem Arm in der Uniform.
»Lasst den Blödsinn, Capitan«, sagte Andrej. Er versuchte ärgerlich zu klingen, brachte aber nur ein müdes Seufzen zustande. »Ich gehe allein.«
»Und wohin, wenn die Frage
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