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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich.«
»Das würde zu diesem Angeber passen«, sagte Rodriguez. »Seine Soldaten werden es ihm sicherlich danken. Die ganze Stadt feiert. Jeder einzelne Seemann und Soldat hat vielleicht zum letzten Mal in seinem Leben die Gelegenheit, sich zu betrinken oder seine Frau zu sehen, und sie dürfen Feuerwerksraketen zünden!« Er lachte böse. »Ja, wahrlich ein famoser Plan, um die Besatzung seines Schiffes zu motivieren!«
Andrej stimmte Rodriguez zwar zu, aber gleichzeitig hörte er Unaufrichtigkeit in seinen Worten mitschwingen. Konzentriert lauschte er in den Colonel hinein, aber es war genau wie vorhin auf dem Richtplatz: Alles, was er spürte, war eine sonderbare Gelassenheit, die ihm zwar völlig grundlos, völlig unpassend erschien, aber nicht falsch. Rodriguez sagte das, was er dachte.
Unten auf der Ninja wurden aufgeregte Stimmen laut – wenn auch nur für einen kurzen Augenblick – und Rodriguez nutzte die Gelegenheit, sich endgültig umzudrehen und die Planke hinunterzueilen. Andrej folgte ihm, wenn auch erst, nachdem er einen letzten, nachdenklichen Blick zur EL CID zurückgeworfen hatte. Loki tat niemals etwas ohne Grund.
Die Aufregung hatte sich schon wieder fast gelegt, als er die Ninja betrat, aber Andrej spürte auch die gedrückte Stimmung, die von den Männern Besitz ergriffen hatte.
»Was ist passiert?«, fragte er ohne Umschweife. Abu Dun warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu und Gordon schnaubte und sagte: »Jacques.«
»Der Mann, der Esmeralda bewachen sollte? Was ist mit ihm?« Andrej hatte das unangenehme Gefühl, die Antwort auf diese Frage bereits zu kennen.
Er wurde nicht enttäuscht. »Er ist tot«, sagte Gordon. »Jemand hat ihm die Kehle durchgeschnitten.« »Tot?«, wiederholte Andrej erschrocken. »Und Esme –« »Keine Sorge, ihr ist nichts geschehen«, unterbrach ihn Gordon rasch. »Wahrscheinlich ist er sich mit irgendeinem anderen dieser Gauner über ein Glas Rum in die Haare gekommen, oder er hat wieder einmal grundlos Streit angefangen und ist endlich an den Falschen geraten! Bei der Jungfrau Maria, ich schäme mich; wenn das hier vorbei ist, dann suche ich mir eine richtige Mannschaft, keine Bande von Halsabschneidern und Piraten!«
»Ist es an Bord Eures Schiffes üblich, dass die Männer sich gegenseitig umbringen, Capitan?«, fragte Abu Dun. »Wenn ich nicht schneller bin und sie vorher erwische«, fauchte Gordon, riss sich dann mit einer sichtbaren Anstrengung zusammen und schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Aber Jacques war … etwas Besonderes.« Er sah Andrej an, als erwarte er, dass dieser ihm recht gebe, und fuhr dann, als Andrej beharrlich schwieg, grimmig fort: »Kein schlechter Matrose, aber unbeherrscht und streitsüchtig. Ich wusste, dass es irgendwann ein böses Ende mit ihm nimmt … aber Gott im Himmel, ausgerechnet heute!«
»Wo ist er?«, fragte Abu Dun.
»Der, der ihn umgebracht hat, hat ihn mit einem Ballaststein beschwert und über Bord geworfen«, antwortete Gordon, »aber er war nicht sorgfältig genug. Der Stein hat sich gelöst, als das Schiff abgelegt hat, und die Leiche ist wieder aufgetaucht. Sie haben sie unter Deck gebracht. Verdient hat der Kerl es vermutlich nicht, aber er soll trotzdem ein anständiges Seemannsbegräbnis bekommen.«
»Ich möchte ihn sehen«, sagte Abu Dun.
Leicht überrascht sah Gordon ihn an, bedeutete dann aber Abu Dun und Andrej mit einer knappen Geste, ihm zu folgen. Bresto und Colonel Rodriguez schlossen sich ihnen unaufgefordert an, als sie unter Deck gingen. Der Raum, der ihm bisher so verschwenderisch groß vorgekommen war, erschien ihm jetzt winzig und beengt. Die Männer hatten die mächtigen Ruder eingelegt, und unter der Decke hing nun etwas, das man auf den ersten Blick für einen Baum hätte halten können, das sich bei genauerem Hinsehen aber als der Hauptmast der Ninja entpuppte. Warum auch immer, Gordons Männer hatten die Zeit ihrer Abwesenheit genutzt, um die Ninja nun auch äußerlich endgültig in eine archaische Galeere zu verwandeln.
Jacques Leichnam lag in nasses Segeltuch gewickelt im Bug des Schiffes. Gordon ließ sich neben ihm auf die Knie sinken und schlug das Tuch zurück, und Abu Dun schob ihn mit sanfter Gewalt zur Seite und beugte sich über den Toten.
Lange Zeit stand er völlig reglos und nicht zufällig so, dass seine massige Gestalt allen anderen den Blick auf den Toten verwehrte. Auch Andrej konnte nicht mehr erkennen als ein Stück nasses Segeltuch – aber er sah den

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