Goettersterben
direkt anzusehen. »Und welcher wäre das?«, fragte Andrej.
»Würde es Euch etwas ausmachen, endlich diese schreckliche Maske abzunehmen?«
17
S
ie brauchten mehr als eine Stunde, um wieder an Bord d e r Ninja zu gelangen. Andrej hatte wie ganz selbstverständlich angenommen, dass Bresto sie durch das Labyrinth aus Kellern und Katakomben bis zum Hafen führen würde, aber sie waren schon nach einem kleinen Stück wieder an die Oberfläche zurückgekehrt, nicht mehr in Sichtweite des Marktplatzes, aber nahe genug, um noch immer das Echo der Schreie zu hören und den Widerschein der Flammen am Himmel zu sehen. In der schmuddeligen Gasse, in die sie hinaustraten, warteten drei von Gordons Männern auf sie. Einer von ihnen trug noch eine blaue Uniformjacke, deren Ärmel angesengt waren, im Gürtel des anderen steckte ein kurzer Säbel mit blutiger Klinge. Schweigend ging Andrej zu dem einfachen Karren, den die Matrosen mitgebracht hatten; ein simples Gefährt mit offener Ladefläche, das nur von einem einzelnen Maultier (das in Andrejs Augen nicht so aussah, als wäre es auch nur in der Lage, sein eigenes Gewicht über eine längere Strecke zu transportieren) gezogen wurde. Auf einen Wink Gordons hin kletterte Abu Dun hinauf, dann deutete der Kapitän auf eine zerschlissene Zeltplane; das einzige Ladegut, das der Wagen hatte.
»Versteckt Euch darunter«, sagte er.
»Und Ihr?«
»Der Colonel und sein zukünftiger Ex-Adjutant fahren vorne auf dem Kutschbock«, antwortete Gordon. »Niemand wird sie ansprechen, solange sie ihre Uniformen tragen. Aber Ihr und Euer Freund seid zu auffällig. Verbergt Euch unter der Plane. Und seid still. Es kann sein, dass wir kontrolliert werden.«
»Von wem?«
Gordon schien die Frage als überflüssig zu empfinden, denn er machte sich nicht einmal die Mühe einer Antwort, sondern winkte nur noch einmal einladend zu Ladefläche hin und ging dann nach vorne. Er begann mit leiser, aber sehr erregter Stimme auf einen seiner Männer einzureden, und nach einer weiteren Sekunde folgte Andrej Abu Dun auf die Ladefläche hinauf.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er – allerdings erst, nachdem er zu Abu Dun unter die Plane geschlüpft und sie bis auf einen kaum fingerbreiten Spalt über sich gezogen hatte.
Abu Dun antwortete, aber erst nach einer Pause, die für Andrejs Geschmack gerade eine Spur zu lang war, um ihm nicht Anlass zum Aufhorchen zu geben. »Ja. Doch du bist reichlich spät gekommen. Beinahe hätte ich angefangen, mir Sorgen zu machen.«
Andrej wies den Freund nicht darauf hin, dass es seine Idee gewesen war, sich verhaften zu lassen, um auf diese Weise an Loki heranzukommen. Er sparte sich auch jeden Versuch einer Erklärung oder gar Entschuldigung. Abu Dun und er kannten sich lange genug, als dass eine Erklärung notwendig gewesen wäre. Stattdessen fragte er: »Was hast du herausgefunden?«
»Eine Menge«, antwortete Abu Dun. »Und zugleich so gut wie nichts. Sie haben mich sofort in Ketten gelegt und allein in eine Zelle gesperrt. Ich habe nicht sehr viel gehört oder gesehen.«
»Aber etwas doch«, vermutete Andrej.
»Wenn du jemals in Gefangenschaft geraten solltest, Hexenmeister, dann bete darum, dass es bei einem Mann wie de Castello geschieht.«
»Warum?«
»Er behandelt seine Gefangenen gut«, antwortete Abu Dun. »Solange sie nicht sieben Fuß groß und schwarz sind, nehme ich an. Gutes Essen, und es roch nicht nach Schmerz oder Krankheit. Und niemand hatte Angst … bis auf die zwei, die mich bewacht haben, heißt das.« »Vampyre?«, fragte Andrej.
»Drei«, antwortete Abu Dun. »Mindestens. Aber wahrscheinlich mehr. Irgendetwas stimmt nicht mit diesen angeblichen Kriegsgefangenen.«
»Du meinst, Loki schart eine kleine Armee von Vampyren um sich?«, fragte Andrej. »Warum? Diese … Unsterblichen haben nichts mit uns zu schaffen.« »Als wenn du viel über sie wüsstest! Und de Castello ist nicht Loki, sondern nur de Castello«, antwortete Abu Dun.
»Woher willst du das wissen?«
»Weil er mit mir gesprochen hat.« Abu Dun lachte leise. »Er war zwar der Meinung, es wäre ein Verhör, und doch hat er mir mehr erzählt als ich ihm. Er hält uns für britische Spione. Der Mann ist ein Dummkopf und dazu noch grausam.« Andrej spürte, wie er in der Dunkelheit neben ihm heftig den Kopf schüttelte. »Aber er ist ganz gewiss nicht Loki. Das hätte ich gespürt.«
»Hattest du mir nicht lang und breit erklärt, dass sie sich tarnen können?«, fragte Andrej.
»Nicht so«,
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