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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hälfte wahrscheinlich draußen auf See, sollte sie dumm genug sein, ihnen zu folgen.
Doch das alles, dachte Andrej, war für ihn jetzt nicht wichtig. Abu Dun und er waren aus einem anderen Grund hier.
»Wo ist de Castello?«, schrie er.
Rodriguez brüllte eine Antwort, die im Donnern einer weiteren Geschützsalve unterging, wedelte mit der Hand in die Dunkelheit hinein und brachte sich dann mit einem fast schon komisch aussehenden Hüpfer in Sicherheit, als ein Teil der Takelage über ihnen in Flammen aufging und brennendes Tuch und Holzsplitter auf sie herunterprasselten. Ein weiterer Soldat ging verletzt zu Boden und wurde von seinen Kameraden weggebracht, und der Rest ihrer ohnehin arg zusammengeschmolzenen Eskorte hängte sich endlich seine Musketen über die Schultern und eilte in alle Richtungen davon. »Kapitän de Castello erwartet uns in seiner Kajüte!«, brüllte Rodriguez über den immer lauter werdenden Kanonendonner hinweg.
»Ja, das dachte ich mir«, sagte Abu Dun. Rodriguez blickte fragend, und Andrej fügte an Abu Duns Stelle hinzu: »Genau dort, wo man den Kapitän eines Kriegsschiffes während einer Seeschlacht erwartet, nicht wahr?«
»Das hier war nicht geplant«, antwortete Rodriguez. Irgendetwas explodierte, nicht allzu weit entfernt und mit einem Donnerschlag, unter dem der gesamte Hafen zu erbeben schien. Blutroter Feuerschein verwandelte das Deck des Schlachtschiffes in eine Vision der Hölle, und Rodriguez verzog nicht nur schmerzhaft das Gesicht, sondern zog den Kopf noch weiter zwischen die Schultern und griff so schnell aus, wie es gerade noch ging, ohne in Laufschritt zu fallen.
Als sie den Abgang erreichten, erlebte Andrej eine weitere Überraschung: Bresto war nicht nur noch am Leben, sondern hatte es auch irgendwie hier herauf geschafft. Anders als Rodriguez war er zwar auch bis auf die Haut durchnässt und wirkte vollkommen erschöpft, aber auch er war unversehrt; und er zeigte sich auch kein bisschen erstaunt von dem, was rings um sie herum geschah. Wenn sein Gesicht überhaupt irgendeine Regung zeigte, dachte Andrej, dann sah er allenfalls … zufrieden aus?
Andrej bedeutete Rodriguez unwillig, weiterzugehen. Loki war hier, ganz in seiner Nähe, das spürte er, und das war im Moment alles, was zählte. Seine Hand kroch unter den Mantel und schmiegte sich um den Griff des Götterschwertes.
Sie stürmten die Treppe hinab und tauschten eine Hölle gegen die andere. Der Lärm nahm nicht ab, sondern zu. Schießpulvergestank und Hitze nahmen ihnen sowohl den Atem als auch die Sicht, und Rodriguez, der vorauseilte, verschwand schon nach wenigen Schritten in beißenden grauen Schwaden und einem Chaos aus Lärm und reiner Bewegung. Irgendetwas brannte.
Und der Unsterbliche war nahe. Andrej spürte Lokis Nähe jetzt so deutlich, als wäre der Unsterbliche kaum eine Armeslänge von ihm entfernt, und seine Hand schloss sich unter dem Mantel noch fester um Gunjir, das in seiner Scheide zu vibrieren schien wie ein Raubtier, das Blut gewittert hatte und immer heftiger an seinen Ketten zerrte. Loki musste seine Nähe ebenso spüren wie er, aber das war jetzt nicht von Bedeutung. Loki musste sterben für das, was er ihm angetan hatte, für das, was er anderen angetan hatte, für das, was er war . Und wenn es sein eigenes Leben kostete, dann war sein Tod diesen Preis allemal wert.
Die EL CID erbebte, als wäre sie von Thors Hammer selbst getroffen worden, als die Kanoniere auf der Steuerbordseite eine weitere Breitseite abfeuerten, und Andrej hatte einen flüchtigen Eindruck von etwas Dunklem und ungemein Massigem, das vor ihm durch den Rauch rumpelte und ebenso schnell wieder darin verschwand, wie es aufgetaucht war, gefolgt von einem gellenden Schrei und dem Geräusch brechender Knochen. Eines der Geschütze hatte sich aus seiner Verankerung gerissen, was dem Mann hinter der Kanone zum Verhängnis geworden war.
Er würde nicht das letzte Opfer sein, dachte Andrej, das dieses Irrsinnsvorhaben forderte, ein Schiff wie die EL CID in die Schlacht zu führen, ohne vorher auch nur ein einziges Manöver abgehalten zu haben. Die Männer, die de Castello an Bord des Schiffes geschmuggelt hatte, waren gewiss gut, aber selbst die beste Besatzung brauchte Zeit, um sich an ein neues Schiff zu gewöhnen. Als hätte es noch eines Beweises für diesen Gedanken bedurft, stolperten sie über drei weitere schwer verwundete oder tote Soldaten, bevor sie den Abgang erreichten, der diesmal allerdings nicht auf ein

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