Goettersterben
den Augen, das Andrej verriet, dass er jedes Wort gehört hatte.
»Aber ich bitte Euch, Mister Delãny«, sagte er spöttisch. »Das ist absolut nicht nötig. Und ich müsste mich wirklich sehr in Euch und Eurem Freund täuschen, wenn Ihr das nicht selbst wüsstet.« So gelassen, als wäre das drohend ausgestreckte Schwert in Andrejs Hand nicht vorhanden, wandte er sich direkt an Rodriguez und deutete zur Tür.
»Ich fürchte, mein tapferes Schiffchen wird sinken, bevor wir den Hafen verlassen, Colonel«, sagte er. »Es wäre mir lieb, wenn Sie sich selbst um die Evakuierung der Besatzung kümmern würden … vor allem um Mylady Esmeralda. Wir verdanken ihr viel – auch wenn sie es vermutlich niemals erfahren wird.«
Rodriguez war über diesen Befehl nicht glücklich, und er machte auch keinen Hehl daraus. Aber nach einem winzigen abschließenden Zögern trat er nur einen Schritt zurück, salutierte zackig und fuhr so übertrieben militärisch präzise auf dem Absatz herum, dass es schon fast komisch aussah. Bresto folgte ihm, mindestens genauso hastig, wenn auch auf nicht ganz so alberne Art. Gordon wartete, bis sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, scheuchte mit einer fast beiläufigen Geste auch die vier Soldaten aus dem Raum und wandte sich erst dann und betont langsam wieder zu Abu Dun und Andrej um. Das spöttische Funkeln war nicht aus seinen Augen gewichen.
»Ich nehme an, Ihr habt jetzt eine Menge Fragen an mich, Mister Delãny?«
»Im Grunde nur eine Einzige«, antwortete Andrej. »Wo ist de Castello?«
»De Castello?« Gordon tat so, als müsse er nachdenken und runzelte gespielt übertrieben die Stirn. »Oh, de Castello«, sagte er dann. »Ich fürchte, der gute Don Alberto de Castello hat es nicht mehr rechtzeitig zum Beginn des Feuerwerks an Bord seines Schiffes geschafft. Äußerst bedauerlich … oder vielleicht auch nicht. Ich meine: So bekommt er immerhin die Chance, seinem König ganz persönlich zu erklären, wie es zu dieser … unerfreulichen Entwicklung kommen konnte.«
»De Castello ist nicht an Bord?«, vergewisserte sich Andrej. Aber das war unmöglich: Er hatte seine Gegenwart gespürt , so deutlich, als hätte er neben ihm gestanden. Gordon schüttelte trotzdem den Kopf. »Ich fürchte nicht«, sagte er, immer noch amüsiert. »So wie es aussieht, müsst Ihr wohl mit meiner Gesellschaft vorlieb nehmen, Mister Delãny … aber bitte verzeiht meine Unhöflichkeit. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, glaube ich.« Er hatte jetzt zwar alle Mühe, sich ein breites Schuljungengrinsen zu verkneifen, straffte dann aber die Schultern und salutierte fast genauso zackig wie Rodriguez gerade. »Gestatten: Kapitän Drake. Francis Drake.«
20
S
elbst das blutrote Licht des Sonnenaufgangs vermochte den Feuerschein nicht auszulöschen, der den Himmel über der Stadt in Brand gesetzt hatte, und obwohl sich die EL CID ein gutes Stück von der Küste und damit dem Rest der Flotte entfernt hatte, glaubte Andrej, sowohl den Kanonendonner als auch das Schreien der Verwundeten und Sterbenden noch immer zu hören; ein Chor wehklagender Seelen, der direkt aus den Tiefen des Fegefeuers kam und einfach nicht verstummen wollte, ganz gleich, wie weit er sich auch davon entfernte, und wie verzweifelt er auch versuchte, die Ohren davor zu verschließen. Der Geruch von brennendem Fleisch lag in der Luft, und er hörte das Prasseln von Flammen und das schreckliche Geräusch splitternder Masten und berstender Schiffsrümpfe, und immer wieder Schreie und das vergebliche Flehen, dass es endlich aufhören möge. Dahinter vielleicht das Weinen von Kindern und das dumpfe Krachen und Poltern zusammenbrechender Häuser.
Nichts davon war real, wie er sehr wohl wusste. Die Schlacht hatte die ganze Nacht getobt und erst eine gute Stunde vor Sonnenaufgang ein wenig an Wut verloren, wie ein verheerendes Feuer, das sich in seinem Toben selbst verzehrt, doch seither waren weitere zwei oder drei Stunden vergangen, und die Schiffe, die Drakes kleines Überfallkommando bildeten, hatten sich längst wieder zu einer lockeren Halbkreisformation hinter der ramponierten EL CID versammelt. Die Schlacht war vorbei, und sie waren Meilen um Meilen von der Küste und dem brennenden Hafen entfernt; viel zu weit, als dass selbst seine scharfen Sinne die Schreie der Sterbenden oder den Geruch ihres brennenden Fleisches auffangen konnten. Da war etwas in ihm, das es hören und riechen wollte.
Andrej versuchte, nicht daran zu
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