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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ansetzte, die weiteres Öl in die Flammen gießen musste, griff rasch nach dem Götterschwert und schob es in den Gürtel. »Kommt jetzt.« Loki wedelte mit der Hand. »Wir haben später sicher noch hinlänglich Zeit, miteinander zu plaudern und uns gegenseitig die exquisitesten Nettigkeiten an den Kopf zu werfen, aber noch steht der Wind günstig, und das sollten wir ausnutzen. Wir haben eine weite Reise vor uns.«
Er eilte los, ohne ihre Antwort abzuwarten. Als Andrej ihm folgte, glaubte er einen flackernden Schatten aus den Augenwinkeln heraus wahrzunehmen; vielleicht weniger als einen Schatten, sondern nur die bloße Ahnung von etwas. Ra, vermutete er. Vielleicht waren ihre Namen auch ebenso bedeutungslos wie ihre Gestalt.
Er schritt schneller aus, um zu Loki aufzuschließen, der so selbstverständlich vorausgeeilt war, als hätte er nicht den geringsten Zweifel daran, dass Abu Dun und er ihm folgen würden.
Gunjir schlug im Laufen schwer gegen seinen Oberschenkel, und jetzt hörte er das gierige Flüstern der Götterklinge, auch wenn er ihren Griff nicht berührte, als reiche schon ihre bloße Nähe, das Ungeheuer in seiner Seele zu wecken. Loki hatte ihm dieses Schwert zurückgegeben, aber vielleicht hatte er es nicht nur getan, um ihn zu verhöhnen. Vielleicht hatte Loki nicht ihm das Schwert geschenkt, sondern ihn dem Schwert. Er schritt noch schneller aus, holte Loki beinahe ein und wäre fast gestürzt, als er auf der untersten Stufe einen Fehltritt tat und ins Straucheln geriet.
Obwohl es nicht nötig gewesen wäre, ließ Abu Dun es sich nicht nehmen, ihn am Arm zu ergreifen; und natürlich hämisch über das ganze Gesicht zu grinsen. »Gib acht, wo du hintrittst, alter Mann«, feixte er. »Das hier ist ein Schiff. Da sind die Treppen steiler.« Andrej schüttelte seine Hand mit einer heftigen Bewegung ab und ging weiter, ohne ihm die Genugtuung einer Antwort zu gönnen. Es musste an diesen verdammten Stiefeln liegen, dachte er. Sie waren wie der, für den sie gemacht worden waren: äußerlich prachtvoll, aber von schlechter Qualität.
    Warmer Wind und unerträglich gleißendes Sonnenlicht schlugen ihm entgegen, als er hinter Loki auf das Deck hinaustrat. Er blinzelte und presste die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, widerstand aber dem Impuls, die Hand über das Gesicht zu heben, um sich vor dem grausamen Licht am Himmel zu schützen. Es war wärmer, als es sein sollte, das war das Erste, was ihm auffiel, dann spürte er, dass noch irgendetwas nicht stimmte, ohne dass er sofort ausmachen konnte, was es war.
Andrej blinzelte noch einmal, zwang die Tränen zurück und ließ seinen aufmerksamen Blick über das Deck wandern. Alles schien in Ordnung, zumindest auf den ersten Blick. Die ohnehin geringen Schäden, die die EL CID während des Gefechtes im Hafen davongetragen hatte, waren behoben, und selbst das zerrissene Segeltuch über ihren Köpfen war wieder geflickt. Sämtliche Segel waren gesetzt und so straff gebläht, dass man das Singen der bis an ihre Grenzen beanspruchten Taue hören konnte, und Andrej stellte überrascht fest, wie pfeilschnell das vermeintlich so plumpe Schiff über das Meer jagte. Selbst die beiden deutlich schnittigeren Linienschiffe, die ihre Eskorte bildeten, schienen alle Mühe zu haben, mit dem plumpen Koloss mitzuhalten. Außerdem war das Deck des gewaltigen Kriegsschiffes so gut wie leer.
Und das sollte es nicht sein.
Andrej legte mit einem Ruck den Kopf in den Nacken und zwang sich, trotz des grausam grellen Lichtes am Himmel in die Masten hinaufzusehen. Die EL CID hatte nicht nur alle, sondern sogar noch ein Paar zusätzlicher Segel gesetzt, die wie zwei monströse weiße Käferflügel beiderseits des Rumpfes schräg nach oben ragten. Aber auch die Takelage war nahezu verwaist. Einige wenige Matrosen turnten noch hastig in den Wanten, aber die allermeisten befanden sich bereits eilig auf dem Weg nach unten. Und dasselbe galt für das gesamte Schiff. Andrej erblickte nicht mehr als eine Handvoll Männer, deren Beschäftigung ausnahmslos darin zu bestehen schien, in Deckung zu hasten oder, wenn das aufgrund ihrer Aufgaben nicht möglich war, diesen so unauffällig wie möglich nachzugehen.
Es war lange her, dass er selbst ein Kriegsschiff kommandiert hatte, und es war nicht annähernd so modern oder gar groß gewesen wie die EL CID – aber es gab Dinge, die man nie vergaß und die stets und in allen Verkleidungen gleich blieben. Was er jetzt sah, gehörte dazu.
Die EL CID

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