Goettersterben
bereitete sich auf einen Kampf vor. Andrej war mit wenigen Schritten neben Loki an der luvseitigen Reling und erlebte eine weitere Überraschung. Die KingGeorge hielt das halsbrecherische Tempo der EL CID nicht nur mit, sie holte ganz langsam auf. Und sie war bereits zu nahe herangekommen. Selbst bei geringerer Geschwindigkeit und in Friedenszeiten hielten Schiffe dieser Größe einen gewissen Mindestabstand, um auf eine plötzliche Windböe oder einen Wellenschlag vorbereitet zu sein. Die KingGeorge schoss jedoch keine hundert Fuß neben ihnen dahin, und ein rascher Blick über die Schulter zurück zeigte ihm, dass sich auch das zweite Schlachtschiff bedrohlich genähert hatte. »Irgendetwas scheint hier nicht ganz so zu laufen, wie unser neuer Kapitän es sich gedacht hat«, knurrte Abu Dun neben ihm. Seine Hände schlossen sich mit solcher Kraft um die Reling, als versuche er das massive Eichenholz zu zerbrechen. Andrej wusste, was hinter seiner Stirn vorging. Sein Blick tastete aufmerksam über den schmaler werdenden Streifen aus schäumendem Wasser, der die beiden Schiffe noch voneinander trennte. Er hatte denselben Gedanken gedacht, schon als sie auf das Decke hinausgetreten waren, und fast augenblicklich wieder verworfen.
»Lass es«, flüsterte er. »Das hat keinen Sinn.« Abu Dun machte keinen Hehl aus dem Umstand, dass er diese Meinung nicht unbedingt teilte, und Andrej tat ihm – wider besseres Wissen – den Gefallen, noch einmal ihre Chancen abzuwägen, eine Flucht von der EL CID zu wagen. Sie erbärmlich zu nennen, wäre geschmeichelt gewesen. Nicht einmal Abu Dun und er vermochten so weit zu springen, und ein todesmutiger Satz über Bord wäre unter den augenblicklichen Umständen schlicht und einfach Selbstmord gewesen, sogar für sie.
»Du solltest auf deinen Freund hören, Pirat«, sagte Loki, der offensichtlich Andrejs Gedanken gelesen hatte, oder auch die des Nubiers. »Ich weiß, wozu ihr fähig seid. Bis zur Küste zurückzuschwimmen gehört nicht dazu. Und glaub mir, mein Freun d – Rogers wird nicht anhalten, um dich zu retten. Er mag ein typischer britischer Gentleman sein, aber unter seinen geschliffenen Manieren hat er keine ganz so hohe Meinung von euch Kaffern.«
Abu Dun hatte sich anscheinend fest vorgenommen, sich nicht provozieren zu lassen. Seine einzige Reaktion bestand aus einem eisigen Blick in Lokis Gesicht; und darin, die Reling noch fester zu umklammern. Andrej war sicher, ein leises Knirschen zu hören.
»Aber lass dich nicht von etwas abhalten, was du unbedingt willst«, fuhr Loki fort, nunmehr direkt an Abu Dun gewandt. »Wenn dir nach einem Bad zumute ist, nur zu. Niemand wird versuchen, dich aufzuhalten oder gar auf dich zu schießen. Mein Wort darauf.«
Zu Andrejs Erleichterung schluckte Abu Dun auch diese Worte ohne die geringste Reaktion herunter, und Loki gab sein kindisches Benehmen schließlich auf und wandte sich wieder der KingGeorge zu. Das Treiben an Deck des Schiffes war noch reger geworden. Immer mehr Männer erschienen hinter der Reling, winkten und gestikulierten oder begannen ihnen Worte zuzuschreien, die im Klatschen der Wellen und dem Knallen der Segel untergingen, und schließlich teilte sich die lebende Mauer, und eine schmale Gestalt mit schulterlangem weißem Haar trat an die Reling heran. Andrej musste den Ausdruck auf Rogers Gesicht nicht sehen, um zu spüren, wie es in seinen Inneren aussah.
»Was hast du vor, Loki?«, fragte Abu Dun. »Du hoffst doch nicht im Ernst, ihnen davonsegeln zu können?« »Vergiss nicht, wer dieses Schiff entworfen hat, mein Freund«, antwortete Loki, während er zugleich den Arm hob und Rogers zuwinkte. »Vielleicht haben wir ja noch die eine oder andere Überraschung für den guten Captain auf Lager.«
»Und wie sollte die aussehen?«, knurrte Abu Dun. »Willst du diesem dümpelnden Monstrum vielleicht noch das Fliegen beibringen?«
Loki kam nicht zu einer Antwort, denn Rogers gab sein sinnloses Gestikulieren und Schreien endlich auf und stieg nicht nur mit einem Fuß auf die Reling hinauf, sondern ließ sich von einem seiner Offiziere einen fast meterlangen Trichter reichen, den er vor das Gesicht hob. Seine Stimme klang schrecklich verzerrt und blechern, übertönte aber nun den Lärm des unfreiwilligen Schiffsrennens. »Lieutenant!«, brüllte er . »Was zum TeufelistlosmitEuch?WolltIhrdasSchiffzuschanden fahren?StreichtsofortdieSegelundmachtEuchbereit, michanBordzunehmen!«
Loki winkte nur Rogers noch einmal
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