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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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damit«, sagte Andrej müde. »Abu Dun hat recht. Wenn du uns töten willst, dann tu es. Oder sag uns, was du von uns willst.«
»Wir ändern gleich den Kurs«, antwortete Bresto. Er wirkte enttäuscht, fand Andrej, aber er sah auch nicht mehr gänzlich aus wie Bresto. Es waren nicht wirklich die Züge des abtrünnigen Gottes, die durch die des vermeintlichen Lieutenant hindurchschimmerten, wohl aber seine Härte. Etwas wie ein körperloser Eishauch schien durch die Kabine zu wehen und verschwand wieder, bevor er seine Seele wirklich berühren konnte. »Ich dachte, du wolltest dabei sein, das ist alles.« Er deutete auf Esmeralda, und dann glitt ein Schatten durch die Tür, eine nebelhafte Gestalt, die nicht wirklich unsichtbar und erst recht kein Gespenst war, sich ihren Blicken aber auf unheimliche Weise entzog. Esmeralda sog hörbar die Luft ein und versank dann wieder in ihr dumpfes Brüten. »Keine Sorge. Marduk wird sie bewachen, solange ihr nicht hier seid.«
»Mir wäre es lieber, wenn sie uns begleitet«, sagte Andrej kühl.
»Aber ich bitte dich, mein Freund«, sagte Loki kopfschüttelnd. »Das hier ist ein Ort voller rauer Männer mit schlechten Manieren. Das Deck eines Kriegsschiffes ist nun wirklich nicht der richtige Ort für eine Dame.« Und werweiß, fügte sein Blick hinzu, obsienichtsichererist, solangesiesich nicht indeinerNäheaufhält.
Andrej lag viel auf der Zunge, das er hätte erwidern wollen, aber er wusste auch, wie sinnlos es wäre, diese Diskussion fortzusetzen, und bedeutete Abu Dun nur mit einem Blick, es ebenfalls gut sein zu lassen und ihm zu folgen. Loki machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, nicht noch eine weitere seiner geschliffenen Spitzen anbringen zu können, machte dann nur einen Schritt zur Tür hin, bevor er noch einmal innehielt und stirnrunzelnd auf Andrejs Füße hinabsah. »Was ist mit deinen Stiefeln passiert?«
»Sie waren schlauer als ich.« Andrej machte eine Kopfbewegung zum Fenster. Loki sah ein wenig irritiert aus, trat aber kommentarlos an den eingebauten Kleiderschrank. Silbernes Besteck und feinstes Tafelgeschirr waren nicht das Einzige aus de Castellos Besitz, das seinen Weg vor ihm an Bord des Schiffes gefunden hatte. Der Schrank quoll über von Kleidern. Die allermeisten davon hätte Andrej allenfalls als Alternative zur eisernen Jungfrau in Betracht gezogen, aber es gab auch eine Anzahl prachtvoller Uniformen samt des dazugehörigen Schuhwerks. Loki nahm wahllos ein Paar auf Hochglanz polierter Stiefel heraus und warf sie ihm
zu.Andrej fing die Stiefel auf und registrierte erleichtert,
    dass de Castello wenigstens darauf verzichtet hatte, die Stiefelspitzen zu vergolden, drehte sie aber trotzdem nur unschlüssig in der Hand. »Sie werden nicht passen«, seufzte er. »Ich hätte erwartet, dass Don Alberto auf größerem Fuß lebt.«
»Probier sie einfach an«, befahl Loki, mit einem Male ungeduldig. »Sie werden schon passen.«
Andrej tat ihm den Gefallen und probierte es. Zu seiner nicht geringen Überraschung drückten die Stiefel nur im ersten Augenblick; nachdem es ihm erst einmal gelungen war, hineinzuschlüpfen, passten sie so perfekt, als wären sie von einem meisterlichen Schuster eigens für ihn angefertigt worden. Er wollte sich zur Tür umdrehen, doch Loki winkte ihn noch einmal zurück, ging zum Tisch und hob Gunjir auf, um es ihm mit dem Griff voran hinzuhalten. Andrej rührte keinen Finger, um nach der Waffe zu greifen.
»Nimm es«, sagte Loki. »Es gehört dir.«
Andrej zögerte. Er war sicher, dass es nur ein weiterer Trick war, die Vorbereitung für eine weitere alberne Demütigung, die er ihm zugedacht hatte. Mit der Gestalt des jungen Adjutanten schien Loki auch etwas von seinem kindischen Wesen angenommen zu haben. »Keine Sorge, Andrej. Es ist kein Trick, das Schwert gehört dir. Mein Vater hat es dir geschenkt, und ich werde dir dieses Geschenk nicht streitig machen … einmal ganz davon abgesehen, dass du es brauchen wirst.« Er lachte leise. »Und du wirst vielleicht Verständnis dafür haben, dass ich gewisse Probleme damit hätte, eine Waffe zu tragen, die schon einmal in meinem Herzen gesteckt hat.«
»Wenn er sie nicht will«, sagte Abu Dun freundlich, »nehme ich sie gerne. Und keine Sorge – ich gebe dir mein Wort, nicht damit auf dein Herz zu zielen.« Loki seufzte. »Ja, das habe ich auch erwartet. Dir die Zunge herauszureißen, scheint mir mehr und mehr eine gute Idee.«
Andrej sah, wie Abu Dun zu einer Antwort

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