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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schlimmer beschädigt zu sein. Aber den Fangschuss hatte die EL CID auch ihm nicht versetzen können.
»Sie … ziehen sich zurück?«, murmelte Abu Dun verwirrt. »Aber … Warum? Sie haben uns!«
»Noch nicht ganz«, murmelte Andrej düster. »Aber bald.« Er fuhr mit einer ruckhaften Bewegung herum. »Komm! Wir müssen Loki finden, oder wir sind alle tot!«

24

E
    s war beinahe schon zu leicht, den Spuren der beiden Unsterblichen zu folgen. Flammen tosten ihnen entgegen und ein erstickender Schwall aus Hitze und teerigem schwarzen Qualm, und schon auf halber Höhe der Treppe stolperten sie über den ersten Toten, einen Mann in einer verkohlten spanischen Marineuniform, dem die rechte Schulter samt des dazugehörigen Arms fehlte. Die blutigen Fußabdrücke, die Loki und sein Begleiter hinterlassen hatten, führten direkt über den verstümmelten Leichnam hinweg und verschwanden in der von rotem Licht und tanzenden Schatten erfüllten Dunkelheit darunter.
    Andrej musste sie nicht sehen, um ihnen weiter zu folgen. Er konnte Blut wittern wie ein Wolf, der die Fährte seiner Beute selbst im tiefsten Schnee nicht verliert, und dieses Blut ganz besonders. Es roch … verdorben, wie etwas, dessen bloße Berührung schon Unglück und Not brachte, und aus dem nagenden Hunger in seinen Eingeweiden wurde etwas anderes, eine jähe Übelkeit, die es ihm fast unmöglich machte, der blutigen Fährte weiter zu folgen. Wenn es so etwas wie die absolute Verderbnis gab, dann war es dieses Blut und das Wesen, zu dem es gehörte.
Dennoch wurde er nicht langsamer, sondern versuchte seine Schritte ganz im Gegenteil noch weiter zu beschleunigen. Loki war verletzt, so schwer, dass sich selbst eine Kreatur wie er nicht so schnell davon erholen würde. Eine bessere Chance, ihn zu stellen und zu besiegen, würden sie nicht mehr bekommen.
»Was zum Teufel hast du damit gemeint, dass wir gleich alle tot sind?«, keuchte Abu Dun. Sein Atem ging schwer, was allerdings an der Hitze und dem erstickenden schwarzen Qualm in der Luft lag, nicht etwa daran, dass es ihm Mühe bereitet hätte, mit ihm Schritt zu halten. Andrej hingegen fiel es immer schwerer, einen Schritt nach dem nächsten zu tun. Seine Füße schienen in Flammen zu stehen, und seine Zehen fühlten sich an, als wäre jeder einzelne davon gebrochen. Mehrfach. Aber er war nicht in der Verfassung, sich von solcherlei körperlichen Unzulänglichkeiten beeinträchtigen zu lassen.
»Du glaubst doch nicht wirklich, dass die Engländer fliehen?«, fragte er, während seine Blicke versuchten, das Chaos aus Licht und tanzenden Schatten vor ihnen zu durchdringen. Doch vergeblich. Schreie wehten ihnen entgegen, schmerzerfülltes Wimmern, das Weinen von Männern und gestammelte Gebete – Schmerz und Leid, das die Bestie in ihm vor Gier aufheulen und Gunjir in seiner Hand vibrieren ließ. Noch vor wenigen Augenblicken wäre es ihm fast unmöglich gewesen, der düsteren Verlockung zu widerstehen, die in all diesem Sterben lag. Jetzt erschreckte sie ihn zutiefst. Lokis Zauber war gebrochen, begriff er. Sein Zustand hatte niemals etwas mit vergifteten Dolchen und präparierten Musketenkugeln zu tun gehabt. Es war einzig Lokis Kraft gewesen, die ihn mehr und mehr auf die dunkle Seite hinübergezogen hatte. Und ohne diese eine verirrte Kanonenkugel, dachte er schaudernd, wäre es ihm vielleicht gelungen. Er hatte den Ausdruck in Abu Duns Augen gerade nicht vergessen.
»Ich an ihrer Stelle würde es tun«, sagte Abu Dun. »Ja«, antwortete Andrej trocken. »Und deshalb hast du es auch nie weiter als bis zum Kapitän eines Piratenschiffs gebracht.«
» Des Piratenschiffs«, belehrte ihn Abu Dun. »Die Möwe war das am meisten gefürchtete Sklavenschiff auf der Donau!«
»Die Möwe?« Andrej blieb endgültig stehen, runzelte die Stirn, als hätte er Mühe, sich auf die genaue Bedeutung dieses Namens zu besinnen, und nickte schließlich. In Wahrheit nutzte er die Gelegenheit, um seinen schmerzenden Füßen eine kleine Erholungspause zu gönnen.
»Du meinst den hecklastigen Kahn, den ich bei unserem ersten Zusammentreffen versenkt habe?«
»Es war unser zweites«, antwortete Abu Dun beleidigt. »Und du hast ihn nicht versenkt.«
»Ich weiß«, seufzte Andrej. »Der erste in einer langen Reihe von Fehlern, die ich gemacht habe, seit wir uns kennen.«
Abu Dun erwies sich in diesem Moment ausnahmsweise einmal als der Vernünftigere von ihnen und setzte die sinnlose Diskussion nicht fort, sondern wurde

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