Goettersterben
gedacht, sie passen.«
Und endlich begriff auch Abu Dun. »So wie diese armen Hunde hier gedacht haben, dass sie ein spanisches Schiff beschießen«, grollte er.
Und gleich werden sie es wieder glauben , dachte Andrej. Die Spinnweben waren immer noch da, und sie wurden klebriger. Selbst ihm fiel es immer schwerer, seine Gedanken zu ordnen. Die Männer, die rings um sie herum litten und starben, hatten keine Chance, sich der Trugbilder zu erwehren, die Loki ihnen schickte.
Esistsoleicht,dieSinnederMenschenzunarren. Die Stimme erklang so deutlich und klar in seinem Kopf, dass er sich um ein Haar erschrocken umgesehen hätte. Die Stimme klang nicht nur so – es war Meruhes Stimme, und einen hämmernden Herzschlag lang glaubte er sogar ihre vertraute Nähe zu spüren. Sie hatte es ihm gesagt. Sie hatte ihm vor so langer Zeit das Geheimnis ihrer Art verraten, aber es hatte bis jetzt gedauert, bis er wirklich verstand, was sie ihm hatte sagen wollen. Sie mochten unsterblich sein, zehnmal stärker als selbst Abu Dun und er und von einer boshaften Intelligenz, aber vor allem waren sie eines: Lügner. Nichts von alledem hier war real, abgesehen von dem Blut, dem Sterben und dem Schmerz all dieser Männer.
Wieder schien etwas wie eine unsichtbare Welle durch das Geschützdeck, vielleicht auch das gesamte Schiff zu laufen. Die Spinnweben hinter seiner Stirn wurden noch einmal dichter, und sein Mund fühlte sich plötzlich trocken an, wie mit Watte gefüllt. Und da war immer noch etwas, das näher kam.
»Weiter!«
Andrej zwang sich, nicht nur Hitze und beißendem Qualm standzuhalten, als sie ihren Weg zum Heck des Schiffes fortsetzten, sondern auch die Augen vor dem Sterben zu verschließen, das um sie herum seinen Fortgang nahm. Männer verbluteten, starben schreiend vor Qual oder flehten ihren Gott an, sie endlich zu erlösen, und Andrej hatte eine blitzartige Vision von der neuen Welt, die Loki und seine Begleiter für sich erschaffen wollten. Wenn das hier ein Vorgeschmack darauf war, dann war es die Hölle.
Aber das würde er verhindern, und wenn es das Letzte war, was er in seinem Leben bewirken würde.
Und um ein Haar wäre es das auch gewesen. Sie erreichten das Ende des Geschützdecks, stürmten hintereinander durch eine niedrige Tür, und Andrej ahnte die Bewegung mehr, als er sie sah. Instinktiv warf er sich zur Seite, spürte den Luftzug von rasiermesserscharfem Stahl, der nur Zentimeter an seinem Gesicht vorüberpfiff, und hörte einen dumpfen Schlag, gefolgt von einem schmerzhaften Keuchen, als sich die Klinge in Abu Duns Schulter grub, statt ihn zu enthaupten. Der mörderische Schemen, der hinter der Tür auf sie gelauert hatte, gab ein wütendes Zischen von sich und stieß zugleich mit einem Dolch nach ihm, den er in der anderen Hand hielt, und Andrej, der sich in einer ungünstigen Position befand, tat das Einzige, was ihm blieb: Er nahm den Schmerz mit zusammengebissenen Zähnen hin und rammte dem Unsterblichen mit aller Gewalt die Schulter gegen die Brust; ein Stoß, der jeden normalen Gegner quer durch den Raum und an die gegenüberliegende Wand geschleudert hätte. Der Unsterbliche wankte nur leicht, aber seine winzige Unsicherheit reichte Andrej. Mit einer verzweifelten Drehung brachte er sich endgültig aus der Reichweite des blutigen Schwerts, riss Gunjir aus dem Gürtel und schlug seinerseits zu. Der Hieb war so wie die letzte Breitseite der KingGeorge: Schlecht gezielt und aus einem ungünstigen Winkel heraus geführt, der ihm fast seine gesamte Kraft nahm.
Dennoch reichte er, um dem Angreifer den Dolch aus der Hand zu prellen und ihn diesmal ein deutliches Stück zurücktaumeln zu lassen. Andrej setzte ihm nach, trieb ihn mit einem beidhändig geführten, wuchtigen Hieb noch weiter zurück und riskierte einen schnellen Blick zu Abu Dun hin. Der Nubier war auf die Knie gesunken und hatte sein Schwert fallen lassen, um die Hand auf die verwundete Schulter zu pressen. Hellrotes Blut, sehr viel Blut, quoll zwischen seinen Fingern hervor, und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Die Wunde war nicht lebensgefährlich – nicht für jemanden wie Abu Dun –, aber schwer. Zumindest für eine Weile konnte er nicht mit der Hilfe des Nubiers rechnen.
Das Gefühl einer plötzlichen Bewegung hinter sich warnte Andrej. In einer einzigen, raschen Bewegung glitt er herum und in eine klassische Abwehrposition und registrierte ohne die mindeste Überraschung die zweite, in lose fallendes Weiß gekleidete Gestalt, die
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