Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
überzeugt davon war, dass das aus Barmherzigkeit geschah, und nicht weil die Kapitäne an Bord der King George und ihres Schwesterschiffs der Meinung waren, ihren übermächtigen Feind bereits geschlagen zu haben. Die EL CID war angeschlagen, aber gleich einem verwundeten Raubtier nur noch gefährlicher. Warum ihre unzähligen Geschütze das Feuer nicht erwiderten, war Andrej ein Rätsel, aber er war auch dankbar für jede Minute, in der das Töten zumindest auf einer Seite innehielt.
Wo war Loki?
Hastig sah er sich um und sah erstaunt, dass Loki die Gelegenheit offenbar nicht genutzt hatte, um Abu Dun und ihn erneut anzugreifen. Alles, was noch von ihm zu sehen war, war eine gewaltige dampfende Blutlache und eine blutige Fußspur, die zu den zertrümmerten Achteraufbauten führte. Andrej stemmte sich mühsam auf die Ellbogen hoch und bemerkte erst jetzt das brennende Holzscheit, das quer über seinen Beinen lag und beinahe seine Kleider in Brand setzte. Er fegte es zur Seite und tastete gleichzeitig nach seinem Schwert. Es lag nur ein Stück neben ihm, gleich neben Abu Dun, der augenscheinlich weniger Glück gehabt hatte als er. Der Nubier lag auf der Seite, blutete aus einer hässlichen Wunde an der Schläfe und war bewusstlos gewesen, kam aber gerade stöhnend wieder zu sich, als Andrej nun zu ihm hinkroch und die Flammen hastig mit seinem eigenen Mantel (und den bloßen Händen) erstickte. Sein Blick war leer, füllte sich aber fast sofort mit Schmerz, dann mit jähem Erschrecken. Es dauerte einen Moment, bis Andrej begriff, dass dieser Schrecken hauptsächlich ihm selbst galt. Er hockte über ihn gebeugt da, und seine Hände waren voller Blut. Andrej wusste zwar, dass es sein eigenes war, konnte sich aber beim besten Willen nicht erinnern, wie es dorthin gekommen war. »Keine Sorge«, sagte er rasch. »Ich bin wieder ich selbst.« Abu Dun schlug seine Hand trotzdem beiseite, setzte sich mit einem Ruck auf und rutschte vorsichtshalber ein kleines Stück von ihm weg. »Und wer sagt dir, dass ich mir nicht genau deswegen Sorgen mache?«, murrte er. »Ja, und du bist auch noch ganz der Alte«, seufzte Andrej. Er hielt noch einmal nach Loki und seinem Begleiter Ausschau, ohne aber auch nur die geringste Spur von ihnen ausmachen zu können.
Dafür fiel ihm etwas anderes auf: Die beiden englischen Linienschiffe hatten ihr Feuer ebenfalls eingestellt und tauchten langsam wieder hinter der Wand aus Rauch und Flammen auf, die sie beide verschlungen hatte. Andrej verbot es sich, auf die andere Seite zu sehen, aber der Anblick der King George allein vermittelte ihm eine Vorstellung von dem, was er dort sehen würde. Das Schiff war angeschlagen, aber nicht so sehr, wie er nach der allerersten, verheerenden Salve der EL CID befürchtet hatte. Es brannte an zahllosen Stellen, ein Großteil der Takelage hing in Fetzen oder stand ebenfalls in Flammen, und einer der drei gewaltigen Masten war nicht etwa umgestürzt, sondern einfach verschwunden. Seine Flanke sah aus, als hätte ein zorniger Gott mit einem glühenden Schmiedehammer darauf eingeschlagen. Die Hälfte der Geschützluken hatte sich in Flammen speiende Schlünde verwandelt, zwischen denen hässlich gezackte Löcher und meterlange Risse gähnten. Zahlreiche reglose Körper lagen auf dem brennenden Deck oder trieben neben dem brennenden Schiff im Wasser, und dort, wo die prachtvollen Fenster der Kapitänskajüte gewesen waren, loderte ein weißer und orangefarbener Höllenschlund, dessen Hitze Andrej selbst über die große Entfernung hinweg noch spüren konnte. Dennoch war die Zahl der lebenden Männer an Deck deutlich größer als die der Toten, und sie stürmten keineswegs in kopfloser Panik durcheinander oder versuchten sich in Sicherheit zu bringen, wie es auf einen unerfahreneren Beobachter vielleicht den Eindruck gemacht hätte. Andrej erkannte auf den ersten Blick, dass sich etliche Männer zwar um ihre verwundeten Kameraden kümmerten, der Großteil aber damit beschäftigt war, die schlimmsten Brände zu löschen und von der Takelage zu retten, was zu retten war. Und die King George kam auch nicht mehr näher, sondern begann sich allmählich von der EL CID zu entfernen. Andrej sah nun doch über die Schulter zurück und erkannte, dass auch das zweite Schiff schwerfällig auf einen neuen Kurs einzuschwenken begann. Seine Geschütze hatten das Feuer ebenfalls eingestellt, und es bot keinen deutlich besseren Anblick als die KingGeorge, sondern schien eher noch

Weitere Kostenlose Bücher