Goettersterben
fuhr der Nubier unbeeindruckt fort. »Vielleicht wäre es interessant, sie zu untersuchen.«
»Du glaubst, sie waren vergiftet gewesen.« Andrej machte eine wegwerfende Geste. »Du weißt, dass man uns nicht vergiften kann.«
»Bist du sicher?«
»Ja«, antwortete Andrej im Brustton der Überzeugung, der ihn beinahe selbst überraschte.
»Nur, weil etwas noch nie geschehen ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht doch geschehen kann«, sagte Abu Dun. Andrej wollte auffahren, doch der Nubier brachte ihn nur mit einem raschen Kopfschütteln zum Verstummen und hielt ihm den Dolch mit der Klinge voran hin.
»Wenn du so sicher bist, warum probierst du es dann nicht aus?«
Andrej hob zwar trotzig die Hand, wie um nach der Waffe zu greifen, hielt aber auf halbem Wege inne, und Abu Dun nickte grimmig. »Ja, das dachte ich mir.« »Es ist trotzdem Unsinn«, beharrte Andrej, auch wenn er sich selbst dabei albern vorkam.
»Aber du willst wenigstens nicht bestreiten, dass mit dir etwas ganz und gar nicht stimmt«, fuhr Abu Dun fort. »Ich will vor allem nicht bestreiten, dass ich ganz und gar nicht verstehe, warum wir dieses Gespräch hier und jetzt führen müssen«, antwortete Andrej zornig. »Vielleicht, damit wir es überhaupt führen«, antwortete Abu Dun. »Vielleicht habe ich ja Angst, dass du wütend davonrennst und noch mehr Dummheiten machst?« »Noch mehr? Darüber reden wir noch!«, versetzte Andrej.
Abu Dun blieb ernst. »Was ist los mit dir, Hexenmeister? Ich weiß, ich habe dich das schon ein paar Mal gefragt, und du wirst auch jetzt wieder behaupten, es wäre alles beim Alten – aber ich weiß, dass das nicht stimmt, und du weißt es verdammt noch mal genauso wie ich. Irgendetwas geschieht mit dir, und es macht mir Angst.«
»Das hat aber ziemlich lange gedauert«, sagte Andrej. »Was?«
»Dass du endlich Angst vor mir hast«, sagte Andrej. »Und ich habe schon gedacht, du begreifst es nie.« »Mir ist nicht nach Albernheiten«, sagte Abu Dun ruhig. »Andrej, etwas geschieht mit dir! Und erzähl mir nicht, du hättest es nicht schon selbst gemerkt!«
»Selbst gemerkt?« Andrej nippte an seinem Bier, das genauso scheußlich schmeckte wie das von heute Morgen. Vielleicht sogar noch schlechter. »Und was sollte das sein?«
»Das Mädchen«, antwortete der nubische Riese. »Warum hast du das getan?«,
»Was getan?«, fragte Andrej abweisend. »Sie getötet? Bitte entschuldige, dass ich dich nicht vorher um Erlaubnis gefragt habe. Hätte ich gewusst, dass es dir so nahegeht, dann hätte ich mich natürlich nicht gewehrt, sondern mich von ihr umbringen lassen.«
»Von uns beiden bin ich der Zyniker«, sagte Abu Dun mit steinernem Gesicht. »Und du hast meine Frage nicht beantwortet – was zum Teufel war da los mit dir? Wenn ich nicht gekommen wäre …«
»Dann wäre ich es, nur einen Augenblick später, meinst du?« Andrej grinste. »Ja, das könnte schon sein. Eigentlich sollte ich dir böse sein, mir diese Gelegenheit verdorben zu haben.«
Abu Duns Gesicht blieb vollkommen unbewegt, aber etwas in seinem Blick änderte sich. »Und es war bisher auch nicht deine Art, so zu reden«, sagte er.
Andrej schwieg.
»So wenig, wie es deine Art ist, eine Frau gegen ihren Willen zu nehmen – ob sie nun vorher versucht hat dich umzubringen oder nicht«, fuhr Abu Dun fort. Als Andrej auffahren wollte, schnitt er ihm mit einer Geste das Wort ab. »Du hast Männer getötet, nur weil sie genau das getan haben. Und jetzt wolltest du dieses Mädchen …« »Vergewaltigen?«, half ihm Andrej aus, als Abu Dun nicht weitersprach, sehr leise und auf Spanisch, weil es in dem uralten Dialekt, in dem sie sich nach wie vor unterhielten, keinen entsprechenden Ausdruck dafür gab. Er hatte beinahe nur geflüstert. Trotzdem drehte einer der Männer am Nebentisch den Kopf und sah stirnrunzelnd in ihre Richtung, blickte aber dann hastig wieder weg, als Abu Dun seinerseits ihn anstarrte und dabei die Stirn in Falten legte.
»Hättest du es?«, fragte er dann, wieder an Andrej gewandt und sehr ernst.
»Ich …«, Andrej fuhr halb auf seinem Schemel in die Höhe, erstarrte dann mitten in der Bewegung und blieb zwei oder drei Herzschläge lang wie erstarrt stehen, bevor er sich wieder zurücksinken ließ. Er wich Abu Duns Blick aus, als er – nach einer schieren Ewigkeit und sehr leise – antwortete: »Ich weiß es nicht.«
Er wusste es sehr wohl, und Abu Dun ebenso, aber er ließ ihm diese kleine Lüge durchgehen, und obwohl die Härte in
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