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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dun.
Andrej nippte an seinem Becher und schürzte die Lippen. »Hat er auch nicht.« Dann wurde er nicht nur wieder ernst, sondern wechselte auch in den persischen Dialekt. »Warum hast du das getan?«
»Was?«
»Ihn geschnitten. Du hast ihn mit Absicht verletzt.« »Vielleicht wollte ich sehen, wie du auf das Blut reagierst?«, erwiderte Abu Dun, goss sich einen Becher Bier ein und verzog kurz angewidert die Lippen. »Was das Bier angeht, hast du übrigens recht.« Diese – wahrheitsgemäße – Behauptung hinderte ihn weder daran, den Rest seines Bechers in einem Zug herunterzustürzen, noch sich genießerisch mit der Zungenspitze über die Lippen zu fahren und sich sofort nachzuschenken. »Außerdem finden wir auf diese Weise gleich noch etwas heraus.«
»Und was sollte das sein?«
Abu Dun grinste. »Nun ja, zum Beispiel, ob das Gift auch auf Menschen wirkt.«
    Der Wirt war am darauf folgenden Morgen sowohl noch am Leben als auch bei bester Gesundheit und keineswegs erfreut, von Abu Dun zu erfahren, dass sie noch nicht abschließend über sein großzügiges Angebot beraten hatten. Das Frühstück, das er ihnen vorsetzte, fiel dann auch entsprechend mager aus, und das dazugehörige Bier schmeckte nicht nur so, sondern stammte ganz zweifellos noch vom vergangenen Abend.
Andrej tröstete sich damit, dass Gift ihm schließlich nichts anhaben konnte, und würgte das schale Gebräu ebenso tapfer herunter wie das trockene Brot und den noch trockeneren Schinken und war regelrecht erleichtert, als Abu Dun schließlich verkündete, dass es Zeit war, zum Hafen zu gehen und Pedro nach Arbeit zu fragen. Nebenbei waren es die ersten Worte, die der Nubier an diesem Morgen direkt an ihn richtete. Seit sie erwacht waren, war Abu Dun ungewohnt schweigsam gewesen, beinahe schon abweisend, und daran änderte sich auch nichts, als sie den Goldenen Eber verließen und sich durch die überfüllten Straßen zum Hafen durchkämpften. Nicht unfreundlich, wich er doch jedem Gespräch und selbst Andrejs Blick aus, und nach dem dritten oder vierten Versuch gab dieser auf und hüllte sich ebenfalls in beleidigtes Schweigen.
Die gleichen Wachen, die sie gestern aufzuhalten versucht hatten, ließen sie heute nicht nur wortlos passieren, sondern begegneten ihnen mit offensichtlichem Respekt. Sie steckten die Köpfe zusammen und begannen zu tuscheln, kaum dass sie weitergegangen waren. Andrej fragte sich leicht beunruhigt, ob er vielleicht Grund zur Sorge hatte. Er hatte sowohl die beiden toten Vampyre als auch ihre drei sterblichen Gehilfen beseitigt und maßte sich an, eine gewisse Erfahrung in solcherlei Dingen zu haben … aber sicher war er sich dennoch nicht, alle Spuren restlos beseitigt zu haben. Jemand mochte ihn beobachtet haben. Jemand mochte die Kampfspuren und das Blut gefunden und die richtigen Schlüsse gezogen haben. Wenn er in seinem Leben etwas gelernt hatte, dann dass der Zufall zwar manchmal sein größter Verbündeter war, nur zu oft aber auch sein schlimmster Feind – und ihr Wohltäter Colonel Rodriguez wartete schon mit einem vierzigköpfigen Verhaftungskommando auf sie. Aber wahrscheinlicher war, dass sich Abu Duns und seine (nun ja, Abu Duns) erstaunliche Leistung vom gestrigen Tag herumgesprochen hatte. Er fragte sich, welche Überraschung ihr neuer Freund Pedro wohl heute für sie bereithielt. Vielleicht ein leckgeschlagenes Linienschiff allein mit Muskelkraft an Land zu ziehen und ins Trockendock zu tragen?
Ganz so schlimm kam es dann doch nicht. Pedro begrüßte sie mit ebenso überschwänglicher wie schlecht geschauspielerter Freundlichkeit. Und nachdem er ein paar ebenso wenig ernst gemeinte lobende Worte über ihre gestrige Arbeit verloren hatte, kam er auch gleich zur Sache. »Ihr könnt euch heute den doppelten Lohn verdienen«, sagte er.
»Für die vierfache Arbeit?«, vermutete Abu Dun. Pedro ignorierte den Einwurf. »Wie es der Zufall will, fehlen mir ein paar Leute«, sagte er. »Einer ist krank, und die drei anderen sind einfach nicht gekommen, und das heißt, dass sie sich hier auch gar nicht mehr blicken zu lassen brauchen. Ich hasse Unzuverlässigkeit. Ein Mann sollte zu seinem Wort stehen, oder er ist in meinen Augen kein richtiger Mann.«
»Du willst damit sagen, dass zwei die Arbeit von vier erledigen sollen«, vermutete Andrej. Er widerstand der Versuchung, einen Blick zur Gasse herüberzuwerfen, in der er gestern in den Hinterhalt geraten war, aber er glaubte zu wissen, weshalb drei von Pedros

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