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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seinen Augen blieb, mischte sich nun doch ein Hauch von Mitgefühl in seinen Blick.
»Wird es schlimmer?«, fragte er nach einer Weile. Auch darauf blieb ihm Andrej eine Antwort schuldig, Er wusste es nicht, und wie auch?
Eine Zeit lang saßen sie sich in unbehaglichem Schweigen gegenüber, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Andrej mühte sich verzweifelt, irgendeine – und sei sie noch so weit hergeholte – Erklärung für das zu finden, was am Nachmittag geschehen war. Beinahe war er erleichtert, als der Wirt an ihren Tisch trat, um einen frischen Krug Bier zu bringen, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, dass Abu Dun es bestellt hatte.
Doch dann verstand er, dass es nur ein Vorwand war, genauso durchsichtig wie der Mann ein schlechter Schauspieler. Der Bursche stellte den Krug wortlos ab und gab sich nicht einmal die Mühe, den Überraschten zu spielen, sondern beugte sich ganz unverhohlen neugierig über den Dolch.
»Das ist ja mal ein prachtvolles Stück«, sagte er. »Gehört es Euch?«
»Warum?«, fragte Abu Dun, statt direkt zu antworten. Der Wirt wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab, bevor er antwortete, auch wenn Andrej mutmaßte, dass seine Finger dadurch noch schmutziger geworden waren. »Weil es wirklich ein sehr wertvolles Stück ist«, sagte er und streckte ungefragt die Hand aus, um den Dolch zu nehmen.
Andrej und Abu Dun tauschten einen überraschten Blick. »Ihr … kennt dieses Messer?«, fragte Andrej. »Diesen Dolch?« Der Wirt schüttelte hastig den Kopf. Er wirkte ertappt, fand Andrej. »Oh nein, Señor. Ich bin nur ein einfacher Schankwirt, der alle Mühe hat, ein Küchenmesser von einem Säbel zu unterscheiden. Aber der Schwager des Cousins zweiten Grades des Großneffen der …«
Abu Dun räusperte sich, und der Wirt unterbrach sich, sah ihn verdutzt an und fuhr dann mit einem verlegenen Lächeln fort: »Also ich kenne jedenfalls jemanden, der mit solchen Kostbarkeiten handelt. Manchmal trifft er sich mit seinen Kunden hier, um ihnen seine Preziosen zu zeigen, und da bleibt es gar nicht aus, dass ich …« Diesmal war es Andrej, der sich laut und übertrieben räusperte, und der Wirt fuhr nahtlos und jetzt ganz unverblümt fort: »Wenn Ihr ihn verkaufen wollt, könnte ich Euch behilflich sein.«
»Wie kommt Ihr darauf, dass wir ihn verkaufen wollen?«, fragte Andrej.
»Ihr schlaft in meinem Stall«, antwortete der Wirt gelassen. »Und Ihr bestellt nur das billigste Essen.« »Und ich dachte, es wäre nur das Schlechteste«, sagte Abu Dun lächelnd.
»Wenn Ihr Geld hättet, dann würdet Ihr nicht bei mir wohnen.« Der Mann wedelte mit dem Dolch. »Das hier würde ein ansehnliches Sümmchen bringen, nehme ich an.«
»Und Euch eine hübsche Provision«, vermutete Abu Dun.
»Man muss sehen, wo man bleibt«, erwiderte der Wirt ungerührt. »Und mein Schwager gehört nicht zu denen, die viele Fragen stellen.«
Abu Dun starrte ihn einen Atemzug lang mit versteinerter Miene an, aber dann zuckte er nur mit den Achseln. »Wir denken darüber nach. Auf jeden Fall danken wir Euch für Euer Angebot.«
Der Wirt machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung und setzte auch dazu an, etwas zu sagen, doch Abu Dun streckte bereits die Hand aus und nahm ihm den Dolch ab. Dabei stellte er sich so ungeschickt an, dass der Wirt nicht mehr schnell genug reagierten konnte und die rasiermesserscharfe Klinge seinen Daumen ritzte. »He!«, protestierte der Bursche. »Pass doch auf, du Tölpel!« Aber er klang eher erschrocken als wirklich zornig, und es war auch tatsächlich nur ein winziger Schnitt, aus dem nur zwei oder drei Tropfen Blut hervorquollen, und auch die versiegten, als der Wirt den Daumen in den Mund steckte und einen Moment lang daran saugte.
»Das tut mir aufrichtig leid, Señor«, sagte Abu Dun. »Ich wollte Euch gewiss nicht verletzen.«
»Schon gut«, antwortete der Bursche, nachdem er den Daumen aus dem Mund genommen und ihn verdrießlich angesehen hatte. »Es ist ja nur ein Kratzer.«
»Es tut mir dennoch leid«, versicherte Abu Dun. »Ja, ja«, maulte der Wirt, gab sich noch einmal redliche Mühe, den Nubier mit Blicken zu durchbohren, und wandte sich dann beleidigt ab. »Den Krug Bier schreibe ich an, bis Ihr Euch mein Angebot überlegt habt.« »Ich hoffe doch, es ist Eure billigste Sorte«, sagte Abu Dun.
»Nein«, maulte der Wirt, der schon im Davonschlurfen begriffen war. »Nur meine Schlechteste.«
»Ich wusste gar nicht, dass er zwei Sorten Bier hat«, sagte Abu

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