Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
die mächtigen Geschütze der EL CID nichts als überflüssiger Ballast gewesen wären: Schießpulver und Kugeln, die gleich zu Tausenden zur Grundausstattung des gewaltigen Schiffes gehörten.
    Andrej wunderte sich zwar, dass Pedro Abu Dun und ihn einteilte, nicht nur ausgerechnet dieses Schiff, den geheimen Stolz der Flotte, zu beladen und ihnen damit Zugang ausgerechnet zum Pulvermagazin des Schiffes gewährte – was ihnen hinlängliche Gelegenheit für den einen oder anderen neugierigen Blick und somit später auch den einen oder anderen Sabotageakt bieten würde –, schalt sich aber schon bald darauf einen misstrauischen Narren. Der Hafen wimmelte nicht nur von Schiffen, sondern auch von Menschen. Tausende von Männern (und auch eine überraschend große Anzahl Frauen) versuchten sich an der unmöglich erscheinenden Aufgabe, eine nach Hunderten von Schiffen zählende Flotte in einer Zeit zu beladen, die seiner Einschätzung nach allenfalls für ein Zehntel dieser Anzahl gereicht hätte. Andrej zweifelte nicht daran, dass es ein gut durchdachtes System gab, nach dem Pedro und seine Kollegen dieses geordnete Chaos lenkten, doch erschloss es sich ihm nicht. Vermutlich zerbrach sich der Hafenmeister den Kopf über andere Dinge als über britische Spione oder gar Saboteure. Und doch hätte Andrej seine rechte Hand darauf verwettet, in jeder beliebigen Sekunde des Tages mindestens ein Dutzend britischer Spione am Hafen anzutreffen … oder vielleicht sollte er sich doch besser für sein linkes Auge als Wetteinsatz entscheiden. Es schmerzte immer noch, wenn auch nicht mehr annähernd so schlimm wie noch gestern.
Nach der ersten halben Stunde hatte er jeglichen Gedanken an Saboteure und Spione vergessen, und nach der zweiten auch sein schmerzendes Auge. Nach anderthalb Stunden war er davon überzeugt, dass Pedro Abu Dun und ihn für britische Spione hielt und er sie sich nun zu Tode schuften lassen wollte. Nach zwei Stunden hielt er sich nur noch mit der Vorstellung der diversen Grausamkeiten auf den Beinen, die er dem schmierigen Hafenmeister anzutun gedachte.
Selbst Abu Dun begann erste Anzeichen von Erschöpfung zu zeigen, noch bevor die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte und die Hafenglocke zu der kurzen Mittagspause rief. Für jeden gab es einen Becher lauwarmes Wasser.
Auch Andrej war hungrig, aber zugleich empfand er bei dem bloßen Gedanken an Essen beinahe Übelkeit. Es lag nicht allein an der schweren Arbeit – auch wenn sie ihm mehr zugesetzt hatte, als er sich selbst eingestehen wollte – oder daran, dass er auch heute Morgen kaum etwas zu sich genommen hatte. Er fühlte sich schlecht und war gereizt.
Allein zwei Mal in der vergangenen Stunde hätten ihn beinahe die Kräfte verlassen, und Abu Dun hatte mehr als einmal gerade noch zugreifen können, als ihm seine Last zu entgleiten drohte. Außerdem setzte ihm die Sonne zu. Schon gestern war sie ihm lästig gewesen, aber heute kam ihm die Hitze nahezu unerträglich vor. Das grelle Licht stach wie mit Messern in seine Augen, und wie Abu Dun die Hitze unter seinem schwarzen Mantel und dem gewaltigen Turban aushielt, war ihm schlichtweg ein Rätsel.
»Du fühlst dich immer noch nicht besser«, sagte Abu Dun unvermittelt.
»Doch«, log Andrej. »Die Arbeit ist nur … ein bisschen ungewohnt. Anstrengend.« Er sah Abu Dun an, was der Nubier von dieser Antwort hielt, zwang sich zu einem matten Lächeln und deutete auf eine Anzahl Männer, die in einiger Entfernung im Halbkreis auf einem Kistenstapel hockten und in erschöpftem Schweigen ihr Mittagsmahl verzehrten. »Ich verstehe nicht, wie sie diese Arbeit Tag für Tag aushalten.«
Abu Dun sah ihn einen Moment lang mit schräg gehaltenem Kopf an. »Ich habe eine ungefähre Ahnung.« Er stand auf, um zu den Männern hinüberzugehen. Keiner von ihnen hatte auch nur ein einziges Wort mit den beiden Freunden gesprochen, wohl aber hatten sie über sie geredet, und zumindest die wenigen Brocken, die Andrej aufgeschnappt hatte, waren alles andere als angenehm gewesen. Konkurrenz war hier offenbar genauso wenig beliebt wie anderenorts; vor allem Konkurrenz, die zu zweit die Arbeit von zehn Männern machte. Auch die beiden Burschen, mit denen Abu Dun nun sprach, sahen nicht sonderlich begeistert aus. Einer von ihnen schüttelte unentwegt den Kopf, der andere beschränkte sich auf ein – ebenso heftiges – Gestikulieren und sah dabei immer wieder in seine Richtung. Andrej versuchte, etwas von dem Gespräch zu

Weitere Kostenlose Bücher